Die kalte Nacht des Hasses
Rascheln der steifen Palmwedel über mir. Auch dieses Geräusch gefiel mir. Ich mochte den Duft des Meeres, ich mochte die Wärme in meinem Gesicht. Mann, ich mag einfach Florida, und wie es dort ist. Vielleicht kann ich doch irgendwann hierherziehen.
Ja, ich würde so ein Haus für mich kaufen, wenn ich ein Konto wie Blacks hätte, aber der hatte schon Strandhäuser da und dort in aller Welt, also wäre er vermutlich überhaupt nicht interessiert an dieser kleinen Bude. Er würde sie mir wahrscheinlich kaufen, wenn ich ihn darum bäte, aber das würde ich nie tun und ich wollte auch sowieso niemandem derartig verpflichtet sein – so groß die Versuchung auch war.
Es war ein ruhiger Strandabschnitt, genau wie ich es mochte. Kein Wunder, dass die arme Hilde nicht zu ihrer Schwester nach Missouri hatte ziehen wollen. Es war ein Wunder, dass Brianna aufgegeben und dieses Eden verlassen hatte. Ich tastete, wie sie mir gesagt hatte, hinter der vorderen Leuchte herum, bis meine Fingerspitzen den Schlüssel spürten. Ich schob ihn ins Schloss und öffnete die Tür.
Drinnen erschien das Haus sehr ordentlich, aber zugleich auch sehr bewohnt und belebt. Mehr als Briannas makelloses Heim in Roach, Missouri. Mit den Fünfzigern hatte ich richtig gelegen, wie schon die Ausziehgriffe der Schiebefenster bestätigten. Ich mochte ältere Strandhäuser lieber als die schicken neuen mit den unbeweglichen Panoramafenstern und den mehrstöckigen Terrassen. Die älteren haben mehr Charakter, finde ich. Und schienen zugleich standhafter.
Das Wohnzimmer war nicht besonders groß, aber gemütlich, eher schmal als breit, mit zwei zueinander passenden türkis-gelb geblümten Sofas, weißen Tischchen mit vier weißen Lampen, und hellen Wänden, eine ziemlich typische Einrichtung in Florida. Daneben die Küche, ebenfalls Weiß, mit weißem Tresen und schwarz-weißen geometrischen Fliesen. Sehr sauber und ordentlich. Alle Geräte waren neu und aus glänzendem Edelstahl.
Ich berührte nichts – Gewohnheit, vermute ich. Aber es war kein Tatort und ich hatte die Erlaubnis, hier zu sein. Trotzdem kam es mir vor, als wäre ich eingebrochen. Ich ging durch einen kurzen Flur, vorbei an einem kleinen Schlafzimmer, das als Büro genutzt wurde, und dann in ein größeres, das die gesamte Rückseite des Hauses einnahm. Es sah aus, als hätte man zwei Schlafzimmer zu einem zusammengelegt, von dem aus ein Badezimmer abging. Die Vorhänge waren zugezogen und es roch ein wenig staubig, aber das Bett war ordentlich gemacht. Auf dem dunkelorange, blau und salbeigrün gestreiften Laken waren eine Menge Fotos und Briefumschläge verstreut. Ich beugte mich vor und nahm eines an der Ecke hoch. Es sah aus wie ein Foto von Brianna und Hilde, vielleicht mit vier und sechs. Auch damals waren sie niedlich gewesen.
Ich schaute mich um und hatte plötzlich das Gefühl, in der stickigen, warmen Luft nicht atmen zu können. Der Duft von Hildes Parfüm lag in der Luft, kaum wahrnehmbar, Fendi, glaubte ich. Dann erinnerte ich mich daran, wie er hinter dem Duschvorhang hervorgequollen war, als Bud und ich ihre Leiche gefunden hatten, und mir wurde ein wenig übel. Ich beschloss, dass ich ein wenig frische Seeluft brauchte, ging also zum Fenster und zog die weißen Vorhänge beiseite.
Der Mann schoss so schnell und unerwartet dahinter hervor, dass ich nicht schnell genug reagieren konnte. Er knallte mit gesenktem Kopf gegen meine Schulter und warf mich rücklings aufs Bett. Ich wehrte mich sofort und stemmte ihm meinen Handballen gegen die Schläfe, während ich zugleich panisch versuchte, meine Waffe unter meinem Hemd hervorzuziehen. Er schlug zurück, ein harter Treffer auf meinem linken Wangenknochen, aber nicht ausreichend, um mich außer Gefecht zu setzen, außerdem hatte ich inzwischen meine Glock gezogen und drückte sie ihm in den Bauch.
»Keine Bewegung. Verstanden, rühr dich ja nicht.«
Er musste seine Geschlechtsteile zu schätzen wissen, denn er erstarrte. Ich stand auf, ich keuchte und mir war ein wenig schwindelig von dem Schlag, aber es reichte nicht, um unachtsam zu werden. Ich erkannte ihn jetzt, selbst mit dem ängstlichen Ausdruck auf dem Gesicht. Carlos Vasquez höchstpersönlich. Sah aus, als würde ich gar nicht nach ihm suchen müssen.
»Auf den Boden, Vasquez. Auf den Bauch.« Dummerweise hatte ich meine Handschellen nicht mit. Na toll.
Er ging auf die Knie, den Rücken zu mir, dann drehte er sich um und sah mich an. Beim Sprechen vernahm ich
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