Die kalte Nacht des Hasses
verborgenen Kameras und Aufnahmegeräten. Ich fand keine, aber ich würde mich bei Rangos trotzdem nicht darauf verlassen, dass wir unsere Ruhe hatten.
»Okay, Carlos. Wie wär’s, wenn wir zum Nachmittag sagen, Schwamm drüber, und uns jetzt dem Wesentlichen zuwenden?«
»Okay.« Seine Unterlippe war aufgeplatzt und sah aus, als würde sie sauweh tun. Er drückte den Waschlappen dagegen und sah mich an, als wäre ich eine gut verkleidete Kobra. Alle paar Sekunden huschte sein Blick zur Tür. Er hatte Todesangst, und das aus gutem Grund.
»Ich wusste nicht, dass Sie die Rangos kennen«, begann er.
»Ich kenne die Rangos nicht. Ich hatte bis heute noch nicht mal von ihnen gehört. Ich bin hergekommen, um mit Ihnen über Hilde Swensen zu reden.«
Er richtete sich auf und leckte etwas Blut von seinem Kinn. Er konnte die Blutung nicht stoppen, und seine beiden Augen begannen zuzuschwellen. »Geht es ihr gut? Ich kann sie nirgends erreichen.«
Ich entschied mich, es ihm einfach hinzuhauen. »Hilde ist tot.«
Sein Entsetzen war echt, da war ich sicher. Sein Gesicht wurde unter all den blauen Flecken und dem Blut kalkweiß, wie eine Zwiebel, und er begann am ganzen Körper zu zittern. »Nein, nein, was? Wie?«
»Ich dachte, das könnten Sie mir vielleicht erzählen.«
»Wie, ich? Nein, ich habe mir Riesensorgen um sie gemacht. Sie hat mich nicht angerufen, obwohl sie es mir versprochen hatte, und wir wollten es doch noch einmal miteinander versuchen, wenn sie nach Hause kommt.« Er fing an zu weinen, merkwürdige stille Tränen, die sich ihre Bahn durch das getrocknete Blut auf seinen Wangen bahnten. Dann begann er mit lauten, herzerweichenden Schluchzern und einem tiefen Stöhnen wirklich zu trauern.
Ich sagte nichts und ließ ihn eine Weile vor sich hin heulen. Er hatte einen harten Tag hinter sich. Ich stand auf und zog einen langsamen Kreis im Raum, fand aber immer noch keine versteckten Mikros oder Gucklöcher, und auch keine Zementsäcke und blutigen Kettensägen. Was nicht hieß, dass es keine gab. Hey, ich war ein bisschen paranoid, aber wer könnte mir daraus einen Vorwurf machen?
»Wie ist sie ums Leben gekommen? Ein Autounfall? Sie fährt so schnell, ich habe sie immer gewarnt, vor allem wenn sie etwas getrunken hatte, und am See gibt es all diese Hügel und Klippen …«
Ich horchte auf. »Sie waren am Ozarks-See?«
»Ja, einmal.« Er wischte sich ein paar Tränen und noch etwas Blut mit dem Waschlappen aus dem Gesicht. »Wir haben ihre Schwester besucht. Aber wir sind nicht lange geblieben, weil Brianna mich nicht ausstehen kann.« Er unterbrach sich und biss auf den nassen Waschlappen. Seine nächsten Worte waren gedämpft und schwer zu verstehen. »Sie hat gesagt, ich müsste woanders unterkommen, sie hätte nicht genug Platz für uns beide. Also habe ich mir ein Zimmer in dieser großen Lodge genommen.«
Ich fand und entfaltete einen passenden Gartenstuhl, der offenbar für ein zweites Opfer gedacht war, wenn Leute paarweise hergebeten wurden. Ich überprüfte ihn nach Blutspritzern und andere Körperausscheidungen, bevor ich mich setzte. Da bin ich eigen. Ich sah Vasquez direkt in die geschwollenen, blutunterlaufenen Augen. »Hilde wurde ermordet. Der Mörder hat erst ihre Lippen abgeschnitten und sie dann erstickt.«
Der entsetzte Ausdruck, den sein Gesicht zeigte, war nicht nachzuahmen. »Oh, dios, mein Gott im Himmel, wer würde ihr so etwas antun?«
»Genau das will ich wissen. Es war eine ziemlich scheußliche Sache, glauben Sie mir. Wo waren Sie letzten Dienstag und Mittwoch, Carlos?«
»Sie glauben, ich war das? Dass ich ihr so etwas Schreckliches antun könnte? Nein, niemals. Wir haben einander geliebt. Wir wollten wieder zusammenkommen. Ich habe ihr gesagt, ich würde alles tun, was sie will, ich würde so sein, wie sie es sich wünschte.« Sein Schluchzen wandelte sich in untröstliches Heulen und ich musste dem Drang widerstehen, ihm auf die Schulter zu klopfen und ihm zu versichern, es würde schon alles wieder in Ordnung kommen. Denn das würde es nicht, niemals, nicht für ihn, offensichtlich, und auch nicht für Brianna, und ganz sicher nicht für Hilde. Ich ließ ihm etwas Zeit, sich zusammenzureißen. Als er die Tränen mit dem blutigen Waschlappen abzutupfen begann, fragte ich weiter.
»Können Sie nun ein Alibi für diese beiden Tage vorweisen oder nicht?«
»Ja, ich habe an beiden Tagen in meinem Fitnessstudio gearbeitet, den ganzen Tag, und sogar am Dienstagabend,
Weitere Kostenlose Bücher