Die kalte Nacht des Hasses
Eifersucht?«
»Ich nehme es an. Ich bin weggezogen, weil ich wusste, zu was er fähig ist. Ich warne dich, Claire, wir dürfen das nicht vermasseln. Er ist zu gefährlich, er ist gewissenlos und sehr gerissen. Er ist böse.«
»Böse, sagst du. Dein Stiefbruder ist böse.«
»Ja, genau das sage ich. Ja.« Shaggy wandte sich an Bud. »Nimm die I-44, unser Haus geht davon ab. Es ist ganz am nördlichen Rand der Stadt.«
»Alles klar.«
Ich stellte noch mehr Fragen, aber Shaggy hatte nichts mehr zu sagen. Es sah so aus, als würde sein Stiefbruder derjenige sein, dem wir die Antworten abringen würden müssen. Ich war durchaus erleichtert, dass Shaggy ein Familienmitglied in Schutz genommen hatte, statt selbst an dem Mord teilgehabt zu haben. Ich konnte mir immer noch nicht vorstellen, dass er es in sich trug, jemandem wehzutun. All das war trotzdem sehr merkwürdig und nicht ganz koscher. Ich überprüfte meine beiden Waffen, ich wollte sicher sein, dass sie geladen und einsatzbereit waren, mein Handy bis zum Rand voll, bloß falls ich Unrecht hatte und mit einem Kissen im Gesicht endete.
Wir schafften die Strecke in Rekordzeit. Bud kann Vollgas geben, wenn es sein muss. Die Farm war wirklich abgelegen. Wir verließen die Interstate und holperten über eine Kiesstraße, an der alle hundert Meter oder so Häuser lagen, und dann deutete Shaggy etwa eine Meile weiter auf eine überwucherte Auffahrt, die zu einem Bauernhaus führte. Als Bud einbog, huschte das Licht unserer Scheinwerfer über die Vorderseite des Hauses. Es hatte zwei Stockwerke und ich konnte ein Scheunendach hinter dem Haus ausmachen.
»Sieht nicht so aus, als wäre jemand da«, sagte Bud. »Keine Autos. Keine Lichter. Bist du sicher, dass er hierher zurückkommen wird?«
»Ja, garantiert. Morgen zwischen acht und zehn. Er hat mir Zeit gegeben, aus dem Gefängnis freizukommen und hierher zu fahren. Park hinter der Scheune. Er darf deinen Wagen nicht sehen, sonst haut er ab.«
Ich betrachtete das dunkle Haus und den überwucherten Garten, ließ die schiere Abgelegenheit des Ortes auf mich wirken. »Ich denke, wir sollten besser etwas Verstärkung holen, Bud. Ich kann die Polizei in Springfield anrufen. Hier kriege ich eine Gänsehaut.«
»Noch nicht. Lass uns reingehen und mal sehen, was wir finden können. Vielleicht gibt es Beweise für das, was er getan hat. Oder, Shaggy? Das ist doch sein Nest?«
Shaggy starrte das Haus an. »Ja. Das ist sein Nest, das stimmt.«
Bud und ich stiegen aus. Ich sagte: »Mann, das gefällt mir gar nicht, Bud. Irgendwas ist nicht in Ordnung. Kannst du es fühlen?«
»Lass uns reingehen und von dort aus anrufen. Wenn wir ihn morgen überraschen können, ist es einfacher, ihn einzukassieren. Wenn wir einen Haufen Uniformen bestellen, kommt er gar nicht erst her.«
Bud öffnete die Autotür und half Shaggy heraus. Die Handschellen blieben dran. Shaggy sah mir direkt in die Augen, und sein Gesichtsausdruck gefiel mir gar nicht. Er wirkte verängstigt und schuldig und nervös.
Wir gingen seitlich an der Scheune entlang, Bud und Shaggy voran. Ich folgte, ich hatte die Glock gezogen und hielt sie parallel zu meinem Oberschenkel, den Finger neben dem Abzug. Nichts war zu hören außer ein paar Insekten, die sich liebend gerne paaren wollten, und es war tiefdunkel, bis auf ein paar Strahlen Mondlicht, die zwischen den Ästen hindurch fielen. Das Haus war dunkel und still, scheinbar verlassen.
»Hast du einen Schlüssel, Shaggy?«, fragte ich.
»Es ist nicht abgeschlossen.«
»Das ist dann ja auch kein tolles Nest.«
Bud sagte: »Komm schon, lass uns reingehen, falls er früher kommt.«
Wir gingen die Hintertreppe hoch und Bud drückte die Klinke. Die Tür öffnete sich mühelos, genau wie Shaggy es gesagt hatte.
»Der Strom ist nicht an, aber auf dem Küchentresen steht eine Kerosinlampe. Daneben liegen Streichhölzer.«
Bud ging durch die Dunkelheit zum Tresen und tastete ein paar Sekunden darauf herum, dann hörte ich, wie ein Streichholz angerissen wurde. Die Kerosinlampe flammte auf und ich keuchte und riss meine Waffe hoch, als die Küchentür aufschwang. Ich entspannte mich ein klein wenig, als Brianna in der Tür erschien. Sie warf sich in Buds Arme. Er hielt sie fest, den Blick auf mich gerichtet.
»Oh, Gott sei Dank, du bist da«, sagte sie. »Ich hatte solche Angst, er würde kommen, bevor du hier bist.«
Ich war verwirrt und verunsichert, mir gefiel das alles gar nicht, nicht im Geringsten, daher
Weitere Kostenlose Bücher