Die kalte Nacht des Hasses
Mamas tolle Strasshänger tragen konnte.
Die Ältere lehnte wieder den Kopf an die Wand, so wie er, und dachte darüber nach, was der Junge gesagt hatte, und danach fühlte sie sich ein bisschen besser. Es tat gut, dass noch jemand all diese blöden, hübschen kleinen Mädchen hasste, die auf der Bühne rumstolzierten und so taten, als wären sie erwachsen, aber sie sagte weiter nichts zu ihm. Es war eigenartig, mit ihm allein zu sein. Sie war noch nie zuvor mit einem Jungen allein gewesen. Mama ließ sie praktisch nie jemand zum Spielen nach Hause einladen.
Plötzlich sagte der Junge etwas total Irres. »Wieso meldet dich deine Mutter eigentlich nicht in deiner Altersklasse an? Du bist doch auch hübsch.«
Mit aufgerissenen Augen und pochendem Herzen sah sie ihn an, viel zu entgeistert, um etwas zu sagen.
Er runzelte die Stirn. »Was ist? Warum guckst du mich so an?«
»Du hast gesagt, ich bin hübsch.«
»Ja und? Bist du auch. Ich hab ein paar ältere Jungs in der Umkleide über dich reden hören. Sie haben gesagt, du bist schon richtig sexy. Sie haben gesagt, du siehst älter aus, als du bist.«
»Aha.« Die Vorstellung, dass Jungen über sie sprachen, war beängstigend, aber irgendwie auch erregend. Sie wusste, dass die älteren Jungen manchmal auf ihre Brüste starrten. Sie hatte es gesehen. Mama hatte gesagt, sie hätte sich viel zu früh für ihr Alter entwickelt, und ihr Stiefvater hatte Mama BHs für sie kaufen lassen, damit sie nicht so herumlief. Aber der Junge log bestimmt sowieso, wenn er sagte, sie wäre hübsch.
»Ja, haben sie. Ich habe es deutlich gehört«, wiederholte er. Er lachte leise. »Sie haben gesagt, du hast ein paar hübsche kleine Titten.«
»Das ist scheußlich, halt den Mund.«
»Tja, das haben sie nun mal gesagt. Ich erzähle dir bloß, was ich gehört habe.«
»Mama sagt, meine Sommersprossen machen mich hässlich. Und mein Haar sei auch hässlich. Sie sagt, Sissy ist die Hübsche.«
Der Junge nickte und zuckte dann mit den Achseln. »Ja, Sissy sieht ganz niedlich aus, das stimmt, aber ich mag dein Haar lieber. Es hat die hübschere Farbe. Und Teufel auch, du könntest diese Sommersprossen jederzeit loswerden.«
Jetzt war sie ausgesprochen interessiert, aber auch skeptisch, und betrachtete ihn misstrauisch. Sie fürchtete, dass er sich über sie lustig machte. »Unsinn. Ich wurde damit geboren, so wird es mein ganzes Leben lang sein.«
»Doch, kannst du«, sagte er. »Meine Schwestern hatten welche, nicht so schlimm wie du, aber viele. Meine Mutter ist Hautärztin und hat all diese Bleichmittel, die sie ihnen auf die Haut schmiert, Wahnsinn, ihre Sommersprossen sind einfach verblasst und jetzt sieht es so aus, als hätten sie nie welche gehabt. Sie macht das auch bei meiner großen Schwester, aber die ist jetzt auf dem College unten in Florida. Du weißt schon, das ist der Staat mit den Stränden ganz unten im Süden.«
Die Ältere fragte sich, warum seine große Schwester nicht in ihrem eigenen Staat geblieben war, um zur Schule zu gehen, aber sie starrte ihn bloß an, vielmehr interessierte sie sich für die Sache mit dem Bleichen, obwohl sie ihm immer noch nicht glaubte. »Wirklich? Erzählst du mir die Wahrheit oder ist das eine Riesenlüge, damit du nachher über mich lachen kannst?«
»Ach, komm schon, warum sollte ich mir so was ausdenken?«
Ihr Herz begann zu pochen, es war so aufregend, sich auch nur vorzustellen, dass sie ihre Sommersprossen loswerden und hübsch sein könnte wie Sissy.
Neben ihr seufzte der Junge. »Es ist echt bescheuert, immer zu diesen Wettbewerben zu müssen. Meine Mum und meine Schwestern hassen deine Mum und deine Schwester. Wusstest du das?«
»Nein.«
»Oh ja, das tun sie. Sie nehmen immer abwechselnd teil, weil sie im selben Alter sind, aber sie gewinnen nie, weil deine Schwester immer gewinnt. Sie sind ziemlich eifersüchtig, weil sie nie die Krönchen kriegen. Normalerweise machen sie den dritten oder vierten Platz, aber manchmal auch den zweiten. Ich wette, sie fänden es richtig klasse, wenn Sissy plötzlich tot umfiele.«
»Das fände ich auch.«
Als er zu lachen begann, als hätte sie das Lustigste gesagt, was er je gehört hätte, begann sie ebenfalls zu lachen. Ihr fiel auf, dass sie praktisch nie lachte, und es kam ihr komisch vor, hier unten im Dunkeln zu sitzen und mit einem Jungen zusammen zu lachen. Aber sie fing an, ihn zu mögen.
»Hast du Hunger?«, fragte er, als sie schließlich aufgehört hatten zu lachen.
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