Die Kalte Sofie
sobald eine Änderung eintritt«, versprach Dr. Sonner. »Hoffen wir, dass es eine Änderung zum Besseren sein wird.«
Gedankenversunken verließ Sofie die Intensivstation und wäre auf dem Gang beinahe in einen schlanken Mann mit rötlichen Locken hineingelaufen. Der blieb abrupt stehen und musterte sie aufmerksam.
»Sie müssen Dr. Rosenhuth sein«, sagte er. »Die neue Rechtsmedizinerin aus Berlin. So jedenfalls lassen es die bewährten Münchner Buschtrommeln verlauten. Freut mich sehr.«
Sofie blinzelte den Mann fragend an.
»Verzeihung. Ich hab mich ja noch gar nicht vorgestellt. Charly Loessl – Polizeireporter.«
Die Hand, die er Sofie entgegenstreckte und die sie nach kurzem Zögern drückte, war warm. Der Druck genau so, wie sie es mochte. Aus der Nähe entdeckte sie einiges Grau in den rötlichen Locken, was dem Mann ein gewisses Maß an Seriosität verlieh. Allerdings machte das der hungrige Zug um seinen Mund gleich wieder wett. Obwohl er gerade mal so groß war wie sie und Sofie schon seit Teenietagen auf Männer ab eins achtzig gepolt war, sprang etwas in ihr an, das sie lange nicht mehr gespürt hatte.
»Ich bin wegen der Kleinen vom Spielplatz hier«, fuhr er fort. Seine Augen waren grau und sehnsüchtig – und gefielen Sofie ausnehmend gut. »Ist sie denn schon aufgewacht?«
»Und selbst wenn – Sie glauben doch nicht etwa, dass ich Ihnen das auf die Nase binden würde?« Sofie ging weiter zum Lift. »Damit in irgendwelchen Käseblättern morgen eine Ihrer üblichen sensationslüsternen Headlines über das ›arme kleine Komakind‹ Käufer anlockt? Vergessen Sie es!«
Er folgte ihr.
»Ich weiß Ihre Verschwiegenheit durchaus zu schätzen«, sagte er mit einem unverschämt sympathischen Lächeln. »Aber die Öffentlichkeit hat doch ein Recht, informiert zu werden. Oder nicht?«
»Nicht über laufende Fälle«, lautete Sofies knappe Antwort. In der engen Kabine standen sie näher beisammen, als ihr eigent lich lieb war. Sakradi – der Kerl roch auch noch gut! Nach grünen Gräsern, etwas Würzigem, das sie nicht genauer identifizieren konnte … nach – Mann.
Unwillkürlich rückte sie ein Stück von ihm ab.
Konnte doch nicht sein, dass sie mit all ihren guten Vorsätzen von einer Minute auf die andere brach – und ausgerechnet bei einem Wildfremden gleich dermaßen in Fahrt kam!
»Ich weiß, ich weiß«, murmelte er verständnisvoll. »Aber wie wär’s mit einem kleinen, harmlosen Deal? Ich bedränge Sie heute nicht weiter und bekomm dafür die Option der ersten News von Ihnen. Sie müssen Ja sagen – bitte!«
Er streckte ihr seine Visitenkarte entgegen und verzog das Ge sicht zu einer derart flehenden Grimasse, dass sie lachen musste. Männer mit Humor hatten bei ihr von vornherein einen Sonderbonus. So war es schon immer gewesen.
Aber woher konnte dieser Charly Loessl das ahnen?
Sie waren im Erdgeschoss angelangt. Kavaliersmäßig riss er die Lifttür auf und ließ ihr den Vortritt. Plötzlich erinnerte sich Sofie wieder an die verschmierte Hose. In einen Spiegel hatte sie auch seit Stunden nicht mehr geschaut. Bestimmt sahen ihre Haare inzwischen aus wie ein explodierter Wischmopp. Und sie hatte garantiert wieder diese hektischen Flecken auf den Wangen, die sie mehr als alles andere hasste.
Auf einmal konnte sie gar nicht schnell genug zu ihrem Fahrrad kommen. Sie mühte sich mit dem alten Schloss ab und saß auf. Zwei Tretbewegungen, dann sprang die Kette erneut heraus.
»Sackl Zement!«, entfuhr es ihr aus tiefstem Herzen. »Ned schon wieder, Drecksglump, elendes!«
»Sieht wirklich übel aus«, pflichtete Charly Loessl ihr grinsend bei. »Schätze, da hilft nur eine Totaloperation.«
»Nicht jetzt. Ich muss so schnell wie möglich nach Hause …«
»Kein Problem! Dante und mir wäre es eine Freude, Sie nach Hause zu chauffieren.«
Sofie hob fragend die Brauen.
»Ach ja«, sagte er lächelnd und deutete auf einen bildschönen roten Jaguar, der gut und gern seine fünfzehn Jahre auf dem Buckel haben musste. »Ich hab Sie ja noch gar nicht mit meinem alten Kumpel bekannt gemacht. Dante – Frau Dr. Rosenhuth. Der Bursche und ich haben schon so manches Inferno heil überstanden, daher der Name. Momentan hat er zum Glück eine nahezu göttliche Phase. Sie müssen also keine Angst haben. Steigen Sie ruhig ein.«
Sofie ließ sich auf den dezent abgeschabten grauen Ledersitz sinken. Die Armatur war aus dunklem Holz, und der Sound, als Charly Loessl den Wagen gestartet
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