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Die Kalte Sofie

Die Kalte Sofie

Titel: Die Kalte Sofie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Gruber
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einem türkisfarbenen Trainingsanzug aus Nylon. Eine verspiegelte Sonnenbrille hatte er aufgehabt. Und ein großer Hund war bei ihm gewesen.
    Das war alles, woran das Mädchen sich hatte erinnern können.
    Sofie besah sich die ihr entgegenkommenden Läufer genauer.
    Na super.
    Sozusagen jeder zweite trug eine solche Sonnenbrille. Auch türkisfarbene Jogginganzüge für Herren schienen gerade ziemlich in Mode zu sein. Und auf der großen Wiese Richtung Isar tummelten sich jede Menge Zamperl in allen Größen, vom Chihuahua bis zur Riesendogge.
    Sofie geriet ins Schnaufen und wurde langsamer.
    Was hatte sie auch erwartet? Dass ihr der Typ einen Tag später einfach so über den Weg laufen würde? Kommissar Zufall, oder was?
    Stirnrunzelnd wich sie einem weiteren Jogger aus, der sie beinahe angerempelt hätte. Natürlich auch er im türkisfarbenen, leicht ramponierten Anzug, mit verspiegelter Sonnenbrille und einem Schäferhund, den er energisch zu sich pfiff, bevor er sich seltsam humpelnd davonmachte.
    Es nutzte nichts. Ihre Oberschenkel brannten, ihr Atem ging nur noch stoßweise. Was sie jetzt dringend brauchte, war eine Pause.
    Den wunderbar romantischen, verwilderten Rosengarten, frü her einer ihrer bevorzugten Rückzugsorte zum Lesen, Nachdenken und Träumen, hatte sie ja längst hinter sich gelassen. Aber zum Glück kam da vorn, direkt neben der Braunauer Eisenbahnbrücke, schon der Kiosk mit den legendären Brezn in Sicht.
    Eine würde sie sich auf jeden Fall gönnen. Wofür sonst schindete sie sich denn hier so ab?
    Als ob es auf Sofie gewartet hätte, lag ein letztes Exemplar tatsächlich noch in der Vitrine. Dick mit Butter bestrichen.
    Ausgerechnet.
    Das bedeutete: noch mehr Kalorien. Aber dafür umso leckerer.
    Entschlossen packte Sofie die sorgfältig in eine Serviette gewickelte Butterbreze in ihren Rucksack, zahlte bei der resoluten älteren Dame im weißen Kittel – einer Institution, die weit über Giesings Grenzen hinaus bekannt war – und trabte weiter.
    Natürlich würde sie noch bis zum Flaucher joggen, um ihr schlechtes Gewissen endgültig zu beruhigen. Aber ein kurzes Päuschen davor war ja wohl noch drin. Oder?
    Aufatmend steuerte sie die nächste Bank an.
    Ein donnerndes Grollen näherte sich, der Boden unter ihren Füßen begann zu vibrieren. Irritiert hielt sie inne und blinzelte nach oben.
    Einer dieser kilometerlangen Güterzüge, von denen man nie wusste, wann und ob überhaupt der letzte Waggon jemals in Sicht kommen würde, passierte ohrenbetäubend die stählerne Eisenbahnbrücke.
    Sofie machte einen weiteren Schritt hin zur erlösenden Bank – als sie plötzlich mit dem Fuß gegen etwas stieß. Etwas Graues, Lebloses.
    Eine tote Taube, die hier wohl ihren letzten Flügelschlag getan hatte. Ein Sonnenstrahl streifte den Kadaver und brachte ein glitzerndes Etwas zum Leuchten.
    Moment mal!
    Stirnrunzelnd bückte Sofie sich und begutachtete den seltsam verkrümmten Vogelkörper genauer. Ein Seidenband war um den Hals der Taube geschlungen, daran befestigt: ein verlockend blinkendes Bonbon.
    Aber das war noch nicht alles.
    Im Vogelschnabel steckte das Foto eines lächelnden jungen Mädchens mit roten Haaren.
    Sofie schnappte nach Luft.
    Mal abgesehen davon, dass die äußeren Symptome auf fatale Weise denen der toten Maus glichen, die Sofie auf dem Spielplatz an der Wittelsbacherbrücke gefunden hatte – war es nicht genau das gewesen, ein glitzerndes Bonbon und ein Foto, von dem die kleine Vanessa gesprochen hatte?
    Sofie versuchte sich zu erinnern …
    »Du darfst noch ned gehen, bitte«, murmelte sie schwach. »Ich möcht doch so gern wissen, wer das Madl auf dem Foto war.«
    Sofie stutzte. »Welches Foto, Nessie?«
    »Ganz a schönes Madl war da drauf. Mit roten Haaren und großen Augen.« Vanessas Lider fielen zu. Fast war ihre Stimme nicht mehr zu hören. »Wenn ich träum, kommts mich ganz oft besuchen. Aber ich weiß ja ned amal ihren Namen …«
    Kein Zweifel. Vanessa hatte alles andere als halluziniert.
    Und jetzt?
    Die Ruhepause konnte Sofie gleich mal knicken. Und den Abstecher zum Flaucher sowieso. Hektisch zog sie die Butterbreze aus ihrem Rucksack und legte sie auf der Bank ab. Appetit hatte sie keinen mehr. Aber irgendwelche Tiere würden sich garantiert noch darüber freuen. Außerdem brauchte sie in ihrem Rucksack jetzt vor allem Platz für den toten Vogel.
    Endlich fand sie, wonach sie gesucht hatte: die Plastiktüte, in der sie normalerweise ihre Joggingschuhe

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