Die Kalte Sofie
spürte Ungeduld in sich aufsteigen. Doch die Leitlinien, an die sie sich zu halten hatte, sahen nun mal einen strengen, stets gleichen Ablauf bei der Begutachtung einer Leiche vor.
Als Nächstes also: Licht wieder an. Entkleidung des Leichnams.
Behutsam schnitten Sofie und Spike das T-Shirt an den Nähten auf, streiften es ab und verwahrten es in einem Papiersack. Darunter kam ein rosa-weiß gepunkteter BH zum Vorschein, von dem beide Träger abgerissen waren. Auch er wanderte in einen Papiersack, ebenso die Reste des Slips. Nach der Sektion würde Sofie die Asservate dann genauer unter die Lupe nehmen.
»Zwei Fingerringe aus silbernem Metall, einer davon mit einem hellblauen Stein«, diktierte sie weiter. »Ein schmaler Armreif, ebenfalls silberfarben, deutlich verbogen …«
Das Mädchen schien sich heftig gewehrt zu haben, möglicher weise hatte es dabei auch Frakturen erlitten.
»Haben Sie sie schon geröntgt?«
»Logo.« Spike deutete auf den PC -Monitor hinter Sofie, auf dem eine Reihe grauschwarzer Aufnahmen flimmerten. »Keine Frakturen, keine Fremdkörper, keine Hinweise auf Schuss- oder Stichverletzungen.«
Sofie besah sich die Bilder genauer, ihr Blick blieb an einer Aufnahme der Halsregion hängen. Komisch, diese am oberen Beginn seltsam geweitete Luftröhre … Und dieser Schatten …
Spike war ihrem Blick gefolgt. Er nickte.
»Ist mir auch aufgefallen. Sonst hätte ich vermutet, dass sie ertrunken ist.«
»Spricht einiges dafür. Trotzdem …« Sofie spürte ein leises Vibrieren im rechten Nasenflügel.
Nun begann die äußere Besichtigung der unbekleideten Leiche.
»Weiblich, Alter vermutlich Anfang zwanzig, Größe 1,72, Gewicht 55 Kilo, ausreichender Ernährungszustand …« Sofies Stimme war ruhig.
Die Tote hatte glattes rotblondes Haar, schulterlang. Neben dem Mittelscheitel war links ein ganzes Büschel ausgerissen, rötlich schimmerte die Kopfhaut durch. Die Gesichtszüge waren aufgedunsen, die Lider geschwollen. In den Bindehäuten sowie hinter den Ohren entdeckte Sofie zahlreiche punktförmige Blutungen, alles typische Anzeichen für Ersticken.
Sie begann den Mund zu inspizieren, fand dabei aber weder Erbrochenes noch Blut. Mithilfe eines Tupfers entnahm sie eine winzige Probe der Mundschleimhaut, die später im Labor auf mögliche fremde DNA -Spuren untersucht werden würde.
Am Hals der Toten befanden sich Hämatome, ebenso an der Innenseite der Oberarme, die sich kaum bewegen ließen.
Runde, mädchenhafte Brüste, übersät mit Kratzspuren und Hämatomen, ebenso am Unterleib, der rechts bereits Anzeichen einer grünlichen Verfärbung aufwies.
Über den Mundschutz hinweg trafen sich Sofies und Spikes Blicke, während sie die Record-Taste ihres Diktafons gedrückt hielt.
»Beginnender Zersetzungszustand, jedoch noch vorhandene Leichenstarre lassen darauf schließen, dass der Tod vor etwa achtundvierzig Stunden eingetreten ist.«
Die Bestimmung der Körperkerntemperatur, sonst eine perfekte Methode, um den Todeszeitpunkt genauer eingrenzen zu können, hatte ihnen wenig weiterhelfen können. Immerhin war das Mädchen offensichtlich in der Nähe des Fundorts, also im Freien, ums Leben gekommen, und die Leiche dann nicht mehr bewegt worden.
Als Nächstes: Begutachtung der Extremitäten.
Die erstarrten Schenkel waren so schlank, dass sie auch einem Jungen hätten gehören können. Ebenfalls von Hämatomen entstellt.
»… alte, gut verheilte Narben am Knie. Über dem rechten Knöchel befindet sich ein Tattoo, Schmetterling mit bunten Flügeln …«
Abgebrochene Fingernägel. Auch hier würden Proben des Materials unter den Nägeln analysiert werden und möglicherweise helfen, den Tathergang zu rekonstruieren und denjenigen aufzuspüren, der den Tod des Mädchens zu verantworten hatte.
Was aber war die Todesursache?
Behutsam drehten Sofie und Spike den Leichnam um. Auch hier: Abschürfungen und Blutunterlaufungen, dazu rötlich violette Totenflecken, die sich nicht mehr wegdrücken ließen und damit den von Sofie vermuteten Todeszeitpunkt bestätigten.
Sofie hatte genug gesehen.
»Dann also jetzt der Hals?«, fragte Spike.
»Und ob, Herr Moosbichler«, bekräftigte sie. »Höchste Zeit, dass wir uns endlich Gewissheit verschaffen!«
Sofie wählte den gängigen Mittellinienschnitt, eine besonders schonende Methode, um die Halsorgane obduzieren zu können. Routiniert setzte sie das Skalpell am Kinn an und schnitt unter Umgehung des Nabels bis hinunter zum Schambein. Um
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