Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Kammer

Titel: Die Kammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
Vom Netzwerk:
glänzendes Leder gebundenes Handbuch, auf dessen Deckel die Worte Mississippi-Protokoll aufgedruckt waren. Es war sein Meisterwerk, das Produkt von zwei Wochen sorgfältiger Arbeit. Er war entsetzt gewesen über die schludrigen Anweisungen und Instruktionen und Checklisten, die Naifeh für vorangegangene Hinrichtungen zusammengestoppelt hatte. Es war ein Wunder, daß sie überhaupt imstande gewesen waren, jemanden zu vergasen. Aber jetzt gab es einen Plan, ein detailliertes und sorgfältig ausgearbeitetes Handbuch, das seiner Meinung nach alles enthielt, was erforderlich war. Es war fünf Zentimeter dick und hatte achtzig Seiten, und natürlich stand über alledem sein Name.
    Am Montagmorgen um Viertel nach acht betrat Lucas Mann sein Büro. »Sie kommen zu spät«, fauchte Nugent in dem Bewußtsein, daß jetzt er das Sagen hatte. Mann war nur ein simpler Anwalt. Nugent stand an der Spitze eines HinrichtungsTeams. Mann begnügte sich mit seiner Arbeit. Nugent aber hatte Aspirationen, die in den letzten vierundzwanzig Stunden erheblich gefördert worden waren.
    »Na und?« sagte Mann und trat neben einen Stuhl gegenüber dem Schreibtisch. Nugent trug seine übliche dunkelolivgrüne, völlig faltenfreie Hose und das brettsteif gestärkte dunkelolivgrüne Hemd mit dem grauen T-Shirt darunter. Seine Stiefel waren auf Hochglanz poliert. Er marschierte zu einem Punkt hinter dem Schreibtisch. Mann haßte ihn.
    »Wir haben noch acht Tage«, sagte Nugent, als wäre das nur ihm bekannt.
    »Ich denke, es sind neun«, sagte Mann. Beide Männer standen.
    »Der nächste Mittwoch zählt nicht. Uns bleiben noch acht Arbeitstage.«
    »Wie Sie meinen.«
    Nugent setzte sich steif auf seinen Stuhl. »Zweierlei. Erstens ist hier ein Handbuch, das ich für Hinrichtungen zusammengestellt habe. Ein Protokoll. Von A bis Z. Bis ins letzte durchgearbeitet, mit Register und Querverweisen. Ich möchte, daß Sie die darin zitierten Gesetze und Vorschriften überprüfen und sich vergewissern, daß alles auf dem neuesten Stand ist.«
    Mann starrte auf das schwarze Buch, berührte es aber nicht.
    »Und zweitens möchte ich täglich einen Bericht über den Stand sämtlicher Berufungen. Soweit mir bekannt ist, gibt es bis heute morgen keinerlei juristische Hindernisse.«
    »Das ist richtig, Sir.«
    »Ich möchte jeden Morgen etwas Schriftliches über den letzten Stand der Dinge.«
    »Dann engagieren Sie einen Anwalt, Sir. Sie sind nicht mein Boß, und ich will verdammt sein, wenn ich Ihnen täglich einen kleinen Schriftsatz für Ihren Morgenkaffee liefere. Ich lasse Sie wissen, wenn sich etwas tut, aber ich werde Sie nicht mit Papier beliefern.«
    Ah, die Frustrationen des Zivillebens. Nugent sehnte sich nach militärischer Disziplin. Verdammte Anwälte. »Na schön. Würden Sie bitte das Protokoll überprüfen?«
    Mann schlug es auf und wendete ein paar Seiten um. »Wir haben vier Hinrichtungen ohne ein solches Ding bewerkstelligt.«
    »Das wundert mich offen gestanden sehr.«
    »Mich offen gestanden nicht. Wir haben gute Arbeit geleistet, wie ich zu meinem Bedauern sagen muß.«
    »Hören Sie, Lucas, mir macht das auch keinen Spaß«, sagte Nugent ernst. »Philip hat mich gebeten, diese Sache zu übernehmen. Ich hoffe, es gibt einen Aufschub. Das tue ich wirklich. Aber wenn nicht, dann müssen wir vorbereitet sein. Ich möchte, daß alles reibungslos abläuft.«
    Mann reagierte mit einem Kopfnicken auf die offensichtliche Lüge und nahm das Handbuch an sich. Nugent hatte noch keiner Hinrichtung beigewohnt, und er zählte die Stunden, nicht die Tage. Er konnte es einfach nicht abwarten, mit anzusehen, wie Sam auf dem Stuhl festgeschnallt wurde und das Gas einatmete.
    Lucas nickte und verließ das Büro. Auf dem Flur begegnete ihm Bill Monday, der vom Staat bestellte Vollstrecker, zweifellos auf dem Weg zu einem kleinen Aufmunterungsgespräch in Nugents Büro.
    Adam traf kurz vor drei Uhr nachmittags in der kleinen Bibliothek ein. Der Tag hatte mit der Aufregung über Lees Festnahme wegen Alkohol am Steuer begonnen, und er war nicht besser geworden.
    Er hatte an seinem Schreibtisch Kaffee getrunken, gegen seine Kopfschmerzen angekämpft und versucht, einige Recherchen zu erledigen, als Darlene im Abstand von zehn Minuten zuerst ein Fax aus New Orleans und dann ein Fax vom Bezirksgericht brachte. Er hatte in beiden Fällen verloren. Das Fünfte Berufungsgericht bestätigte die bezirksgerichtliche Abweisung von Sams Klage, daß die Gaskammer

Weitere Kostenlose Bücher