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Die Kammer

Titel: Die Kammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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dieses Zimmer gebracht, weil ich etwas Besonderes bin.« Er blieb vor Adam stehen und funkelte ihn an. Sein Gesicht war zornig, seine Augen feucht und bitter. »Ich habe das alles satt, Adam! Hör mir gefälligst zu! Das ist schlimmer als Sterben.«
    »Wir können nicht aufgeben, Sam.«
    »Wir? Wer zum Teufel ist wir? Es ist mein Hals, der in der Schlinge steckt, nicht deiner. Wenn ich einen Aufschub bekomme, dann kehrst du in dein prächtiges Büro in Chicago zurück und lebst dein Leben weiter. Du wirst der große Held sein, weil du deinen Mandanten gerettet hast. Dein Foto wird im Lawyer's Quarterly erscheinen oder in irgendeiner anderen Zeitschrift, die ihr Anwälte lest. Der brillante junge Star, der in Mississippi Dampf gemacht hat. Und seinen Großvater gerettet, einen erbärmlichen Kluxer übrigens. Dein Mandant dagegen wird in seinen kleinen Käfig zurückgebracht, wo er wieder anfängt, die Tage zu zählen.« Sam warf seine Zigarette auf den Boden und packte Adam bei den Schultern. »Sieh mich an, mein Junge. Ich kann das nicht noch einmal durchstehen. Ich will, daß du alles stoppst. Mach Schluß. Ruf die Gerichte an und sag ihnen, daß wir alle Klagen und Eingaben zurückziehen. Ich bin ein alter Mann. Bitte, laß mich in Würde sterben.«
    Seine Hände zitterten. Sein Atem ging schwer. Adam schaute ihm in die von dunklen Falten umgebenen, leuchtendblauen Augen und sah eine einzelne Träne aus einem Augenwinkel hervorkommen und langsam über seine Wange rollen, bis sie in dem grauen Bart verschwand.
    Zum erstenmal konnte Adam seinen Großvater riechen. Der starke Nikotingeruch vermischte sich mit dem Geruch von getrocknetem Schweiß zu etwas, das nicht gerade angenehm war. Aber es war auch nicht abstoßend, wie es der Fall gewesen wäre, wenn der Geruch von einem Menschen ausgegangen wäre, dem reichlich Seife und heißes Wasser, eine Klimaanlage und ein Deodorant zur Verfügung standen. Nach dem zweiten Atemzug störte er Adam überhaupt nicht mehr.
    »Ich will nicht, daß du stirbst, Sam.«
    Sam drückte seine Schultern kräftiger. »Und warum nicht?« fragte er.
    »Weil ich gerade erst zu dir gefunden habe. Du bist mein Großvater.«
    Sam starrte noch eine Sekunde länger ins Leere, dann entspannte er sich. Er gab Adam frei und trat einen Schritt zurück. »Tut mir leid, daß du mich so gefunden hast«, sagte er und wischte sich die Augen.
    »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen.«
    »Doch, das muß ich. Es tut mir leid, daß ich kein besserer Großvater bin. Sieh mich doch an«, sagte er und schaute an seinen Beinen herunter. »Ein elender alter Mann in einem roten Affenfrack. Ein verurteilter Mörder, der vergast werden soll wie ein Tier. Und sieh dich an. Ein prächtiger Junge mit einer vorzüglichen Ausbildung und einer glänzenden Zukunft. Wo in aller Welt bin ich vom rechten Weg abgekommen? Was ist schiefgelaufen? Ich habe mein Leben damit verbracht, Leute zu hassen, und sieh dir an, was ich dafür vorzuweisen habe. Du, du haßt niemanden. Und sieh dir an, wohin du unterwegs bist. Wir haben dasselbe Blut. Weshalb bin ich hier?«
    Sam ließ sich langsam auf einem Stuhl nieder, stützte die Ellenbogen auf die Knie und schlug die Hände vors Gesicht. Lange Zeit sprach oder bewegte sich keiner von beiden. Gelegentlich war die Stimme eines Wärters auf dem Flur zu hören, aber im Zimmer war es still.
    »Weißt du, Adam, mir wäre es lieber, wenn ich nicht auf diese grauenhafte Art sterben müßte«, sagte Sam heiser, mit den Fäusten an den Schläfen, und sein Blick war nach wie vor auf den Boden gerichtet. »Aber der Tod selbst beunruhigt mich jetzt nicht mehr. Ich weiß seit langem, daß ich hier sterben muß, und meine größte Angst war, zu sterben, ohne zu wissen, ob es jemandem etwas ausmacht. Das ist ein grauenhafter Gedanke. Zu sterben, und niemandem macht es etwas aus. Niemand ist da, der weint und trauert, niemand, der an der Beerdigung teilnimmt. Ich hatte Träume, in denen ich meine Leiche im Bestattungsinstitut in Clanton in einem billigen Holzsarg liegen sah, und keine Menschenseele war da. Nicht einmal Donnie. In meinem Traum hat der Prediger während des ganzen Gottesdienstes gekichert, weil nur wir beide da waren, ganz allein in der Kapelle, vor Reihen von leeren Stühlen. Aber das ist jetzt anders. Jetzt weiß ich, daß es jemandem etwas ausmacht. Ich weiß, daß du traurig sein wirst, wenn ich sterbe, weil dir etwas an mir liegt, und ich weiß, du wirst dasein, wenn sie mich

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