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Die Kampagne

Titel: Die Kampagne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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seine Jobs vorbereitet, denn er wollte zurückkommen. Zu Anna.
    Und dann hatte er seine Flucht vor Frank geplant. Und seine Zukunft mit Anna. Trotz Frank wäre eine solche Zukunft möglich gewesen. Er war so nah dran gewesen ...
    Die bittere Ironie zehrte an ihm.
    Shaw war nie auch nur der Gedanke gekommen, dass Anna eines gewaltsamen Todes sterben könnte. Nie.
    Er starrte aus dem Fenster auf die atemberaubend schöne Landschaft, die an ihm vorüberflog. Diese Schönheit bedeutete ihm nichts mehr - und sie würde ihm nie mehr etwas bedeuten. Das einzig Schöne, das ihn je gekümmert hatte, lag gut gekühlt in einer Londoner Leichenhalle. Annas Schönheit existierte nun nur noch in Shaws Geist, in seinen Erinnerungen. Das hätte ein Trost für ihn sein sollen, war es aber nicht. Egal, ob mit offenen oder geschlossenen Augen, er sah ständig den einzigen Menschen, dem er je erlaubt hatte, ihn zu lieben. Von nun an würde dieses Bild ihn für immer verfolgen ... Vielleicht als Buße dafür, dass er zu hoffen gewagt hatte, ein normales Leben führen zu können.
    Nun hatte Shaw nur noch ein Ziel: töten. Danach würde er sein Leben so beenden, wie er es begonnen hatte. Allein.
    Katie saß einen Waggon hinter Shaw, obwohl sie es nicht wusste. Während die malerische französische Landschaft an ihr vorbeihuschte, war sie trotz ihres neuen Auftrags auf den trauernden Shaw konzentriert und das, was in London passieren würde, sobald er dort eintraf. Natürlich würde er zum Gebäude der Phoenix Group gehen, und mit seinen Verbindungen würde er vermutlich auch hineingelangen. Und dann würde er zu Annas Wohnung gehen. Er musste einfach dorthin, überlegte Katie; er kam nicht darum herum.
    Katie war so tief in Gedanken versunken, dass sie noch nicht einmal bemerkte, wie der Zug durch Calais und dann in den Tunnel fuhr, um durch die Felssohle des Kanals zu rasen. Sie starrte auf die gut beleuchteten Tunnelwände, ohne sich darum zu sorgen, dass die Milliarden Tonnen Wasser über ihr einbrechen und den Zug zerquetschen könnten.
    25 Minuten später schoss der Eurostar wieder hinaus in den strahlenden Sonnenschein. Sie waren in England. Die ganze Fahrt dauerte 140 äußerst angenehme Minuten, und Katie hatte Strom für ihren Laptop und konnte auch ihr Handy benutzen - selbst im Tunnel -, obwohl sie nicht wusste, wen sie hätte anrufen sollen. Nach dem Vorfall im Krankenhaus verspürte sie allerdings auch nicht mehr den Wunsch, ihr Handy je wieder zu benutzen.
    Sie dachte an Shaws Worte: Mein Leben ist vorbei. Aber wer immer Anna das angetan hat, wird sterben. Katie hegte keinen Zweifel daran, dass Shaw es ernst meinte. Trotz seiner Verletzung würde er versuchen, den oder die Täter mit bloßen Händen umzubringen.
    Aber danach? Was würde er danach tun? Oder was, wenn er bei dem Versuch starb? Jemand, der das gleichzeitige Abschlachten von 30 Menschen organisieren konnte, war mit Sicherheit nicht leicht zu töten.
    Noch während Katie darüber nachdachte, bemerkte sie eine kleine Flasche Rotwein, die man ihr zusammen mit dem Mittagessen auf einem Tablett serviert hatte. Sie behielt die Flasche, als der Steward das Tablett abräumte, und starrte sie an. 20 Minuten später, als der Zug die Außenbezirke von London mit ihren typischen Ziegelkaminen erreichte, schaute sie noch immer auf den Wein. Schließlich schraubte sie den Verschluss ab, roch daran, trank einen Schluck und empfand sofort Befriedigung, jedoch rasch gefolgt von einem niederschmetternden Gefühl der Scham. Trotzdem trank sie noch einen zweiten Schluck, und ihre Schuldgefühle wuchsen um das Tausendfache. Katie schraubte die Flasche zu, stellte sie auf ihren Klapptisch und sagte: »Scheiße.«
    Der Mann neben ihr hörte sie. Er schaute erst sie und dann den Wein an. »Mieser Jahrgang?«, fragte er mit einem Lächeln.
    Katie funkelte ihn an. »Mieses Leben!«
    Rasch wandte der Mann sich wieder seiner Zeitung zu.
    Katie wusste, dass sie ihren Job nicht erledigen konnte, wenn sie sich nicht unter Kontrolle behielt. Sie durfte nicht wieder zur Säuferin werden. Und sie durfte sich nicht in Selbstmitleid suhlen, egal, wie verlockend ihr es im Augenblick auch erschien.
    Als ein Steward vorbeikam, bat sie ihn, die Flasche wegzuräumen.
    Ein paar Minuten später fuhren sie in den Bahnhof von St. Pancras ein. Katie stieg aus und ging rasch zum Taxistand.
    Wie Shaw würde auch sie am Strand im West End wohnen, allerdings nicht in einem so schmucken Laden wie dem Savoy.

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