Die Kampagne
jetzt wirklich weit hergeholt - sie wussten, dass der Mann in dem Gebäude war und haben ihn am Leben gelassen, damit er erzählen konnte, was er gehört hat beziehungsweise, was sie ihn hören lassen wollten.«
Katie schnippte mit den Fingern. »Er hat gesagt, er habe gehört, wie die Russen - dir zufolge die ›falschen‹ Russen - gesagt haben, sie wüssten, dass noch jemand im Gebäude ist. Wenn sie die Rückseite beobachtet haben, haben sie den Mann reingehen sehen. Aber sie haben nicht weitergesucht, weil ein Fenster zerbrochen ist und eine Frau geschrien hat. Sie hatten Angst, die Polizei würde gleich kommen.«
Ein Schatten huschte über Shaws Gesicht.
»Oh ... Ist das wirklich passiert?«, fragte Katie.
Shaw nickte. »Die Frau war Anna. Sie hat ihr Bürofenster zerschlagen und versucht, auf diesem Weg zu fliehen. Doch sie wurde vorher erschossen.«
»Woher weißt du das?«
»Eine Stauüberwachungskamera an der Straße hat es gefilmt.«
»Mein Gott! Du hast es gesehen?« Katie legte die Hand auf die seine. »Shaw, ich weiß nicht, was ich sagen soll ...«
»Sag, dass du die Story nicht schreibst.«
»Das kann ich nicht. Die Welt hat ein Recht darauf, es zu erfahren.«
»Wirklich? Selbst, wenn das alles nur erstunken und erlogen ist? Oder vielleicht glaubt Katie James ja auch nur, sie habe es sich verdient, wieder ganz oben zu stehen, egal, um welchen Preis. Sogar, wenn es das Ende der Welt bedeutet, wie wir sie kennen.«
Katie lief rot an und zog sich von Shaw zurück. »Das ist nicht der Grund!«
»Dann sag mir, warum du das tust.«
»Ich bin Journalistin. Ich habe eine Story. Die Story des Jahrzehnts! Ich kann nicht einfach darauf sitzen bleiben, nur weil du ein paar Theorien hast und behauptest, die Story bedeute das Ende der Welt.«
»Und wenn ich recht habe? Würdest du auch damit klarkommen?«
»Ja«, antwortete Katie, doch ihre Stimme zitterte leicht.
»Dann gibt es nichts mehr zu sagen.« Shaw erhob sich und hielt Katie die Tür auf.
»Shaw, bitte. Tu das nicht.«
»Es gibt nichts mehr zu sagen«, wiederholte er.
Langsam ging Katie an ihm vorbei, und Shaw warf hinter ihr die Tür ins Schloss.
Kapitel 60
N icolas Creels Reisen nach China und Russland waren ein Erfolg gewesen. Zwar waren keine verbindlichen Vereinbarungen getroffen worden, aber Creel hatte den Grundstock dafür gelegt. Wenn die »echte« Wahrheit über die Phoenix Group herauskam - und Creel rechnete damit, dass Katie James jeden Augenblick dafür sorgte -, würde sich das Verhältnis zwischen den beiden Ländern rasch von regionaler Konkurrenz in erbitterte Feindschaft wandeln, und Billionen von Dollars würden ihm zufließen.
Doch trotz des Triumphs, den er gerade errungen hatte, blieb da noch ein Problem.
Creel saß wieder auf dem Oberdeck seiner Superjacht Shiloh, während seine alberne Frau splitterfasernackt auf einer Liege am Vordeck lag. Creel hatte endgültig die Nase voll gehabt und verlangt, dass sie sich etwas anzog. Doch Miss Hottie hatte sich rundheraus geweigert und behauptet, selbst ein String würde ihre Haut verschandeln.
Trotzig hatte sie erklärt: »Mein Body ist perfekt. Ich will keine Bikinistreifen, Nicky! Du kannst mich nicht zwingen.«
Wie konnte man solch einer Logik widersprechen? Einem solch ernsthaften Narzissmus? Creel hätte beinahe laut gelacht, wie über ein Kind, das einen lustigen Spruch von sich gegeben hatte.
Das Schiffstelefon klingelte. Es war der Kapitän. Mrs. Creel war endlich eingeschlafen.
»Dann legen Sie eine verdammte Decke über sie, vom Kopf bis zu den Zehen«, befahl Creel und legte auf.
Die Frau, die er bei der Preisverleihung in L. A. kennen gelernt hatte, war Kuratorin an der Met in New York, Yale-Absolventin, überaus intelligent, weit gereist, gut gebaut und auch sonst attraktiv. Creel wagte zu behaupten, dass sie sich einen Dreck um Bikinistreifen an ihrem Hintern scherte. Er hatte einen wunderbaren und faszinierenden Abend mit der Frau verbracht, sogar ohne jeden Körperkontakt. Kaum war er nach Hause gekommen, hatte er seine Anwälte angewiesen, die Scheidungspapiere aufzusetzen.
Doch diese unmittelbar bevorstehende häusliche Veränderung war nicht das Problem, das Creel beunruhigte.
Er schaute auf das Foto des Mannes an der Seite von Katie James. James hatte Shaws Hotel unter Tränen verlassen, hatte man Creel berichtet. Würde dieser Mann alles in Gefahr bringen? Shaw wollte Rache. Er war extrem gut ausgebildet und erfahren. Ja, er war ein
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