Die Kandidaten
hochstiegen, und
versuchte, entspannt zu wirken.
»Fühlen Sie sich zuversichtlich, Mr Davenport?«, fragte ein
Vertreter der örtlichen Medien und hielt ihm ein Mikrofon vor
das Gesicht.
»Nein«, antwortete Fletcher wahrheitsgemäß. »Ich bin höllisch
nervös.«
»Glauben Sie, dass Sie Mrs Hunter schlagen konnten?«,
versuchte es der Reporter erneut.
»In ein paar Stunden werde ich Ihnen diese Frage gern
beantworten.«
»Glauben Sie, dass es ein sauberer Kampf war?«
»Das können Sie besser beurteilen als ich«, erwiderte Fletcher,
als er mit Annie die oberste Stufe erreichte und das Gebäude
betrat.
Als sie in den Saal kamen, brandete von der Galerie Applaus
auf. Fletcher sah nach oben, lächelte und winkte, versuchte, eine
Zuversicht auszustrahlen, die er nicht fühlte. Als er wieder nach
unten blickte, sah er als Erstes Harrys Gesicht. Er wirkte
nachdenklich.
Wie anders das Rathaus doch im Vergleich zum Tag des
Rededuells wirkte. Sämtliche Sitze waren entfernt und durch
eine hufeisenförmige Anordnung von Tischen ersetzt worden. In
der Mitte stand Mr Cooke, der schon bei sieben Wahlen den
Vorsitz geführt hatte. Das würde seine letzte Wahl sein, da er
zum Jahresende in Ruhestand gehen wollte.
Einer seiner Offiziellen prüfte die schwarzen Kästen, die auf
dem Boden im Inneren des Hufeisens standen. Mr Cooke hatte
bei der Einsatzbesprechung, die er mit den beiden Kandidaten
am Tag zuvor abgehalten hatte, klargestellt, dass die offizielle
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Auszählung erst beginnen würde, wenn alle achtundvierzig
Wahlurnen aus den Wahllokalen eingetroffen waren und ihre
Echtheit bescheinigt worden war. Die Wahllokale schlossen um
20 Uhr und diese Prozedur dauerte für gewöhnlich eine Stunde.
Wieder brandete Applaus auf und als Fletcher sich umsah,
entdeckte er Barbara Hunter, die den Saal betrat und ebenfalls
zuversichtlich lächelte, während sie ihren Anhängern auf der
Galerie zuwinkte.
Sobald alle achtundvierzig Urnen überprüft, ihre Siegel von
den Offiziellen aufgebrochen und die Stimmzettel auf den
Tischen verteilt worden waren, konnte die Auszählung
beginnen. Zu beiden Seiten des Hufeisens standen ungefähr
einhundert Stimmenzähler. Jede Gruppe bestand aus einem
Vertreter der Republikaner, einem Vertreter der Demokraten
und einem neutralen Beobachter, der einen Schritt hinter ihnen
stand. Falls ein Beobachter nicht zufrieden sein sollte, nachdem
die Auszählung begonnen hatte, würde er die Hand heben und
Mr Cooke oder einer seiner Offiziellen würde sofort an den
betreffenden Tisch eilen.
Sobald die Stimmzettel auf den Tischen lagen, wurden sie in
drei Haufen geteilt – ein republikanischer Haufen, ein
demokratischer Haufen und ein dritter, kleinerer Haufen mit
strittigen Stimmzetteln. In den meisten Wahlkreisen des Landes
wurde diese Prozedur mittlerweile von Maschinen erledigt, nicht
so in Hartford, obwohl alle wussten, dass sich das ändern würde,
sobald Mr Cooke in Rente ging.
Fletcher tigerte durch den Raum und sah zu, wie die drei
Haufen anwuchsen. Jimmy tat es ihm gleich, wanderte aber in
die entgegengesetzte Richtung. Harry stand reglos und verfolgte,
wie die Siegel an den Urnen aufgebrochen wurden. Sein Blick
wandte sich nur selten von dem ab, was innerhalb des Hufeisens
geschah. Sobald alle Urnen geleert waren, bat Mr Cooke seine
Offiziellen,
die
Stimmen
auszuzählen
und
sie
in
Hunderterhaufen aufzuteilen.
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»Jetzt tritt der Beobachter in Aktion«, erklärte Harry, als
Fletcher neben ihm stehen blieb. »Er muss darauf achten, dass
kein Stimmzettel zweimal gezählt wird und dass keine
Stimmzettel aneinander kleben.« Fletcher nickte und setzte seine
Wanderung fort. Gelegentlich hielt er inne und beobachtete eine
bestimmte Auszählung, fühlte sich in einem Moment
zuversichtlich, im nächsten deprimiert, bis Jimmy darauf
hinwies, dass die Urnen aus unterschiedlichen Wahlkreisen
stammten und er nie sicher sein könne, welcher Kasten aus einer
republikanischen Hochburg stammte und welcher aus einer
demokratischen.
»Was passiert jetzt?«, fragte Fletcher, der wusste, dass es
bereits die vierte Auszählung war, an der Jimmy teilnahm.
»Arthur Cooke wird alle Stimmen zusammenzählen und
verkünden, wie viele Leute an der Wahl teilgenommen haben.
Dann rechnet er aus, wie viel Prozent der Wähler wofür
gestimmt haben.« Fletcher sah zur Uhr hoch – es war kurz nach
elf. Im Hintergrund entdeckte er Jimmy Carter
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