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Die Kandidaten

Die Kandidaten

Titel: Die Kandidaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Archer
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der Halle weiterhin schwiegen.

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    »Worauf warten wir?«, flüsterte Nat und einen Augenblick
    später wurde seine Frage beantwortet. Alle erhoben sich,
    einschließlich der Männer auf der Bühne. Nat wagte nicht, sich
    umzuschauen, als er die Schritte zweier Männer hörte, die den
    Gang entlangschritten. Einen Moment später kam der Kaplan
    der Schule, gefolgt vom Direktor, auf dem Weg zu den beiden
    leeren Stühlen auf der Bühne an Nat vorbei. Alle blieben stehen,
    während der Kaplan einen Schritt vortrat und eine kurze
    Andacht hielt, zu der auch das Vaterunser gehörte. Es endete
    damit, dass alle Anwesenden Glory, Glory, Hallelujah! sangen.
    Dann ging der Kaplan zu seinem Stuhl und der Direktor nahm
    seinen Platz am Rednerpult ein. Alexander Inglefield verharrte
    einen Augenblick stumm, bevor er auf die versammelten Jungs
    blickte. Dann hob er die Hände mit den Handflächen nach unten
    und alle setzten sich. Dreihundertundachtzig Augenpaare
    starrten zu einem Mann von einem Meter fünfundachtzig mit
    dicken, buschigen Augenbrauen und einem kantigen Kiefer,
    dessen Gestalt so eindrucksvoll war, dass Nat hoffte, er würde
    ihm nie begegnen.
    Der Direktor packte das Revers seines langen, schwarzen
    Talars und setzte zu seiner fünfzehnminütigen Rede an. Er
    begann damit, dass er seine Schützlinge durch die lange
    Geschichte der Schule führte und Tafts frühere akademische und
    sportliche Leistungen rühmte. Dann starrte er auf die neuen
    Jungen und erinnerte sie an das Motto der Schule: › Non ut sibi
    ministretur sed ut ministret ‹ .
    »Was heißt das?«, flüsterte Tom.
    »Nicht um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen«,
    murmelte Nat.
    Der Direktor schloss mit der Bekanntgabe, dass es zwei Dinge
    gab, die ein echter Taft-Mann niemals verpassen dürfe: eine
    Prüfung und ein Spiel gegen Hotchkiss. Und als ob er die
    Prioritäten gleich richtig zuordnen wolle, versprach er allen

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    einen schulfreien Nachmittag, wenn Taft beim jährlichen
    Footballspiel das Team von Hotchkiss besiegte. Das wurde
    sofort mit frenetischem Jubel begrüßt, obwohl jeder Junge
    jenseits der dritten Reihe wusste, dass dies in den vergangenen
    vier Jahren nie gelungen war.
    Als der Jubel verstummte, verließ der Direktor die Bühne,
    gefolgt vom Kaplan und dem Rest der Lehrerschaft. Sobald die
    Männer gegangen waren, setzte der Lärm wieder ein. Die älteren
    Klassen verließen die Halle. Nur die Jungen in den ersten drei
    Reihen blieben sitzen, weil sie nicht wussten, wohin sie gehen
    sollten.
    Fünfundneunzig Jungen warteten ab, was als Nächstes
    geschehen würde. Sie mussten sich nicht lange gedulden, denn
    ein ältlicher Lehrer – eigentlich war er erst 51, aber Nat dachte,
    dass er viel älter als sein Dad aussah – baute sich kurz darauf
    vor ihnen auf. Er war klein und untersetzt, mit einem Halbkreis
    aus grauen Haaren um einen ansonsten kahlen Schädel. Als er
    sprach, packte er das Revers seiner Tweedjacke und imitierte die
    Pose des Direktors.
    »Mein Name ist Haskins«, erklärte er ihnen. »Ich bin der
    Lehrer der unteren Mitte«, fügte er mit trockenem Lächeln
    hinzu. »Wir fangen den Tag mit einer Orientierungslektion an,
    die Sie zur ersten Pause um halb elf beendet haben. Um elf
    begeben Sie sich in die Ihnen zugewiesenen Klassenräume. Ihre
    erste Stunde ist amerikanische Geschichte.«
    Nat runzelte die Stirn, da Geschichte noch nie sein
    Lieblingsfach gewesen war. »Danach gibt es Mittagessen.
    Freuen Sie sich nicht darauf«, warnte Mr Haskins mit einem
    neuerlich trockenen Lächeln. Ein paar der Jungs lachten. »Aber
    das ist nur eine weitere Taft-Tradition«, versicherte Mr Haskins,
    »vor der diejenigen von Ihnen, die den Fußstapfen ihres Vaters
    folgen, sicherlich schon gewarnt worden sind.« Einige der
    Jungen, darunter auch Tom, lächelten.

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    Sobald sie mit der Billigführung, wie Mr Haskins es nannte,
    begonnen hatten, blieb Nat an Toms Seite. Er schien schon alles
    zu wissen, was Haskins zu sagen hatte. Nat fand schnell heraus,
    dass nicht nur Toms Vater ein ehemaliger Absolvent der Schule
    war, sondern auch sein Großvater.
    Als die Führung endete und sie vom See bis zur
    Krankenstation alles gesehen hatten, waren er und Tom bereits
    gute Freunde, und als sie sich zwanzig Minuten später in ihrem
    Unterrichtsraum einfanden, setzten sie sich automatisch
    nebeneinander.
    Schlag elf Uhr marschierte Mr Haskins in den Raum. Ein
    Junge folgte ihm dicht auf den Fersen. Er hatte

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