Die Kandidaten
Wahlkampfleiter gemacht«, erklärte sie.
Eine Stunde später war Fletcher wieder in Harrys
Krankenhauszimmer. Er setzte sich neben Annie und nahm ihre
Hand.
»Irgendeine Besserung?«, fragte er.
»Nein, nichts«, sagte Annie. »Seit du weg bist, hat er sich
nicht gerührt. Wie geht es Lucy?«
»Sie muss sechs Wochen lang einen Gips tragen und ist
überzeugt davon, dass ihr das Gipsbein größere Chancen bei der
Wahl zur Jahrgangssprecherin verschafft.«
»Hast du ihr von Grandpa erzählt?«
»Nein. Und als sie fragte, wo du bist, habe ich eine Notlüge
erzählt.«
»Wo bin ich?«
»Sitzung des Elternbeirats.«
Annie nickte. »Stimmt sogar, ist nur der falsche Tag.«
»Wusstest du übrigens, dass sie einen Freund hat?«,
erkundigte sich Fletcher.
»Meinst du George?«
»Du kennst George?«
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»Ja, aber ich würde ihn nicht als ihren Freund bezeichnen«,
sagte Annie. »Er ist eher ihr ergebener Sklave.«
»Ich dachte, Lincoln hat die Sklaverei 1863 abgeschafft?«,
scherzte Fletcher.
Annie sah ihren Ehemann an. »Macht es dir Sorgen?«, fragte
sie.
»Ganz sicher nicht. Lucy musste ja früher oder später einen
Freund haben.«
»Das habe ich nicht gemeint und das weißt du auch.«
»Annie, sie ist erst sechzehn.«
»Ich war jünger, als wir uns zum ersten Mal begegnet sind.«
»Annie, hast du vergessen, dass wir am College für die
Bürgerrechte demonstriert haben? Und ich bin stolz darauf, dass
wir unserer Tochter diese Überzeugungen weitergegeben
haben.«
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40
NACHDEM NAT SEINEN SOHN in Taft abgesetzt hatte,
bekam er auf dem Rückweg nach Hartford ein schlechtes
Gewissen, weil er nicht genug Zeit hatte, um seine Eltern zu
besuchen. Aber er wusste, er durfte das Treffen mit Murray
Goldblatz nicht zwei Mal hintereinander platzen lassen. Als er
sich von Luke verabschiedet hatte, schien der Junge wenigstens
nicht mehr von den Sorgen der ganzen Welt umwölkt. Nat
versprach seinem Sohn, dass er und Lukes Mutter am
Freitagabend an der Aufführung des Schultheaters teilnehmen
würden. Nat dachte immer noch an Luke, als das Autotelefon
klingelte – eine Erfindung, die sein Leben verändert hatte.
»Du wolltest mich anrufen, bevor die Börse öffnet«, sagte Joe
und schwieg kurz.
»Tut mir Leid, dass ich mich nicht gemeldet habe, Joe. Ein
familiärer Notfall – da habe ich es schlichtweg vergessen.«
»Tja, Und wie lauten die heutigen Anweisungen?«
»Genauso wie gestern: Ich möchte, dass du bis Börsenschluss
weiter aggressiv Fairchild-Aktien aufkaufst.«
»Alles, was du sagst, Boss. Ich hoffe nur, du hast einen
Fallschirm im Gepäck, denn wenn du dir nicht bis
Montagmorgen um 10 Uhr fünfzig Prozent von Fairchild
gesichert hast, wird es eine ziemlich unsanfte Landung.«
Während Nat weiter in Richtung Hartford fuhr, wurde ihm
klar, dass Joe nur das Offensichtliche in Worte gefasst hatte.
Nächste Woche um diese Zeit konnte er schon arbeitslos sein
und schlimmer noch, wegen ihm könnte die Russell Bank von
ihrem größten Rivalen geschluckt worden sein. War sich
Goldblatz dessen bewusst? Natürlich war er das.
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Als Nat in die Stadt fuhr, beschloss er, nicht ins Büro
zurückzukehren, sondern einen Häuserblock von der St-Joseph-
Kathedrale entfernt zu parken, irgendwo etwas zu essen und
über die Alternativen nachzudenken, mit denen Goldblatz
aufwarten könnte. Er bestellte sich ein Schinkensandwich in der
Hoffnung, dass es ihn in kämpferische Stimmung versetzen
möge. Dann schrieb er eine Liste mit Pro und Contra auf die
Rückseite der Speisekarte.
Zehn Minuten vor drei verließ er den Imbiss und machte sich
auf den Weg zur Kathedrale. Mehrere Leute nickten oder sagten
im Vorübergehen »Guten Tag, Mr Cartwright«, was ihn daran
erinnerte, wie sehr sein Bekanntheitsgrad in letzter Zeit
zugenommen hatte. Die Mienen der Passanten drückten
Bewunderung und Respekt aus und Nat wünschte nur, er könnte
das Rad der Zeit um eine Woche vordrehen, um zu sehen, wie
ihre Gesichter dann reagierten. Er sah auf die Uhr – noch vier
Minuten bis drei. Nat beschloss, einmal um den Block zu laufen
und die Kathedrale durch den ruhigeren Südeingang zu betreten.
Er lief, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe
hoch und trat zwei Minuten, bevor der Glockenturm der
Kathedrale die volle Stunde anschlug, in das südliche
Querschiff. Er würde nichts gewinnen, wenn er sich verspätete.
Nat brauchte einige Minuten, um sich nach dem hellen
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