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Die Kandidaten

Die Kandidaten

Titel: Die Kandidaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Archer
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können, wenn er sich
    nicht rasch zur Seite hätte fallen lassen. Springen konnte er
    nicht.
    Nat blieb einen Augenblick liegen, dann hievte er den Staff
    Sergeant vorsichtig auf die Trage. Anschließend setzte er sich
    auf den Boden und sah zu, wie die Sonne hinter den
    Baumwipfeln verschwand, nachdem sie an diesem Tag ihre
    Pflicht in diesem Land erfüllt hatte.

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    Nat hatte irgendwo von einer Mutter gelesen, die ihr Kind
    nach einem Autounfall am Leben gehalten hatte, indem sie die
    ganze Nacht mit ihm redete. Und Nat redete die ganze Nacht mit
    dem Staff Sergeant.

    *

    Ungläubig las Fletcher, wie Lieutenant Nat Cartwright mit Hilfe
    einheimischer Bauern die Trage von einem Dorf zum anderen
    schleppte, zweihundertundelf Meilen, und die Sonne siebzehn
    Mal auf- und wieder untergehen sah, bevor er die Vororte von
    Saigon erreichte, wo die beiden Männer zum nächsten
    Feldlazarett gebracht wurden.
    Staff Sergeant Speck Foreman starb drei Tage später und
    erfuhr nie den Namen des Lieutenants, der ihn gerettet hatte und
    nun um sein eigenes Leben kämpfte.
    Fletcher verfolgte jede noch so kleine Notiz, die er über
    Lieutenant Cartwright fand. Er zweifelte nie daran, dass
    Cartwright überleben würde.
    Eine Woche später flog man Nat nach Camp Zama in Japan,
    wo er operiert wurde. Sein Bein konnte gerettet werden. Einen
    Monat darauf konnte er ins Walter Reed Army Medical Center
    nach Washington gebracht werden, wo er seine Genesung
    abschloss.
    Das nächste Mal sah Fletcher Nat Cartwright auf der Titelseite
    der New York Times, wie er im Rose Garden des Weißen Hauses
    die Hand von Präsident Johnson schüttelte.
    Er erhielt die Tapferkeitsmedaille.

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    MICHAEL UND SUSAN CARTWRIGHT verschlug es
    förmlich die Sprache, als sie im Weißen Haus zusehen durften,
    wie ihr einziger Sohn im Rose Garden die Tapferkeitsmedaille
    erhielt. Nach der Zeremonie lauschte Präsident Johnson
    aufmerksam Nats Vater, der ihm die Probleme erläuterte, denen
    sich Amerika stellen musste, falls alle Einwohner neunzig Jahre
    alt würden, ohne eine ausreichende Lebensversicherung
    abgeschlossen zu haben. »Im nächsten Jahrhundert werden die
    Amerikaner genauso lange als Ruheständler leben wie als
    Berufstätige«, waren die Worte, die LBJ am folgenden Morgen
    vor seinem Kabinett wiederholte.
    Auf der Heimreise nach Cromwell wurde Nat von seiner
    Mutter gefragt, welche Zukunftspläne er hege.
    »Da bin ich mir nicht sicher, das liegt nämlich nicht in meinen
    Händen«, erwiderte er. »Ich habe den Befehl erhalten, mich am
    Montag in Fort Benning zu melden, dann werde ich
    herausfinden, was Colonel Tremlett mit mir vorhat.«
    »Noch ein verschwendetes Jahr«, sagte seine Mutter.
    »Das formt den Charakter«, erklärte sein Vater, der aufgrund
    seines langen Gespräches mit dem Präsidenten immer noch
    innerlich zu glühen schien.
    »Ich denke nicht, dass Nats Charakter das noch nötig hat«,
    erwiderte seine Mutter.
    Nat lächelte, sah aus dem Fenster und nahm die Landschaft
    von Connecticut in sich auf. In den siebzehn Tagen und
    siebzehn Nächten, in denen er immer nur kurz schlafen und
    kaum etwas essen konnte, hatte er sich oft gefragt, ob er seine
    Heimat jemals wiedersehen würde. Er dachte an die Worte
    seiner Mutter und musste ihr Recht geben. Die Vorstellung eines

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    verschwendeten Jahres, in dem er Anträge bearbeitete, salutierte
    und sich salutieren ließ, und dann irgendwann jemand anderen
    in seine Arbeit einwies, machte ihn wütend. Die hohen Offiziere
    hatten durchblicken lassen, dass sie ihn nicht wieder nach
    Vietnam zurückkehren lassen würden, um nicht zu riskieren,
    dass das Leben eines der wenigen anerkannten Helden Amerikas
    in Gefahr geriet.
    An diesem Abend wiederholte sein Vater beim Essen
    mehrmals die Unterhaltung, die er mit dem Präsidenten geführt
    hatte. Anschließend bat er Nat, ihm mehr über Nam zu erzählen.
    Über eine Stunde lang beschrieb Nat die Stadt Saigon, die
    Landschaft und die Menschen, bezog sich nur selten auf seine
    Arbeit als Versorgungsoffizier. »Die Vietnamesen arbeiten
    schwer und sind freundlich«, berichtete er seinen Eltern, »und es
    scheint sie wirklich zu freuen, dass wir da sind, aber auf keiner
    der beiden Seiten gibt es jemanden, der glaubt, dass wir für
    immer bleiben können. Ich fürchte, die Geschichte wird diese
    ganze Episode als sinnlos einstufen und sobald sie vorüber ist,
    wird sie schnell aus dem nationalen Gedächtnis gestrichen.« Er
    wandte

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