Die Kane-Chroniken, Band 1: Die rote Pyramide
Was hat er genau über den Sturm gesagt?«
»Er sagte: ›Ich werde den größten Sturm aller Zeiten heraufbeschwören.‹«
Amos starrte finster vor sich hin. »Als er so was das letzte Mal sagte, hat er die Sahara erschaffen. Ein Sturm dieses Ausmaßes könnte Nordamerika zerstören und so viel Chaosenergie erzeugen, dass er so gut wie unbesiegbar wird.«
»Was redest du da? Wer ist dieser Typ?«
Amos winkte ab. »Was im Moment viel wichtiger ist: Warum hast du nicht auf der Kopfstütze geschlafen?«
Ich zuckte die Achseln. »Es war unbequem.« Ich sah hilfesuchend zu Sadie. »Du hast sie doch auch nicht benutzt, oder?«
Sadie verdrehte die Augen. »Doch, selbstverständlich hab ich das. Es hatte ja offensichtlich einen Grund, dass sie dort lag.«
Manchmal hasse ich meine Schwester wirklich. [Autsch! Das war mein Fuß!]
»Carter«, sagte Amos, »Schlaf ist gefährlich. Er kann in die Duat führen.«
»Toll«, brummte Sadie. »Schon wieder ein fremdes Wort.«
»Äh … ach ja, tut mir leid«, erwiderte Amos. »Die Duat ist die Welt der Geister und der Magie. Sie befindet sich wie ein riesiger Ozean unterhalb der realen Welt und es gibt viele Schichten und Regionen. Letzte Nacht sind wir knapp unter ihre Oberfläche getaucht, um nach New York zu kommen, denn wenn man durch die Duat reist, ist man viel schneller. Carter, weil dein Bewusstsein im Schlaf ebenfalls durch die seichtesten Ströme der Duat geglitten ist, hast du mitbekommen, was in Phoenix passiert ist. Zum Glück hast du diese Erfahrung überlebt. Doch je tiefer du in die Duat eintauchst, umso schrecklichere Dinge erfährst du, und umso schwieriger wird es zurückzukehren. Es gibt Reiche voller Dämonen, Paläste, in denen die Götter in ihrer Urgestalt existieren, und die sind so mächtig, dass ihre bloße Anwesenheit einen Menschen zu Asche verbrennen würde. Es gibt Gefängnisse, in denen unglaublich bösartige Geschöpfe eingesperrt sind, und einige Abgründe, die so tief und chaotisch sind, dass sich nicht einmal die Götter zur Erkundung hineinwagen. Jetzt, da eure Kräfte zunehmen, darfst du nicht ohne Schutz schlafen, sonst riskierst du Angriffe aus der Duat oder … ungewollte Reisen durch diese Unterwelt. Die Kopfstütze birgt einen Zauber, der dein Bewusstsein in deinem Körper verankert.«
»Willst du mir erzählen, ich bin tatsächlich …?« Ich hatte einen metallischen Geschmack im Mund. »Hätte er mich töten können?«
Amos sah ernst aus. »Die Tatsache, dass deine Seele auf diese Weise reisen kann, bedeutet, dass du schneller Fortschritte machst, als ich dachte. Schneller, als es eigentlich möglich sein sollte. Hätte dich der Rote Lord bemerkt –«
»Der Rote Lord?«, fragte Sadie. »Ist das der glutrote Typ?«
Amos erhob sich. »Ich muss mehr herausfinden. Wir können nicht einfach warten, bis er euch findet. Und wenn er den Sturm an seinem Geburtstag heraufbeschwört, auf dem Höhepunkt seiner Macht –«
»Du willst also nach Phoenix?« Ich brachte die Worte kaum heraus. »Amos, dieser glutrote Mann hat Dad überwältigt, als wären seine Zauberkräfte bloß ein Witz! Jetzt hat er noch Dämonen auf seiner Seite und er wird stärker und – er wird dich umbringen!«
Amos schenkte mir ein dünnes Lächeln, als hätte er die Gefahren bereits abgewogen und müsste nicht mehr daran erinnert werden. Sein Gesichtsausdruck erinnerte mich erneut schmerzlich an Dad. »Schreib deinen Onkel mal nicht gleich ab, Carter. Ich habe meine eigenen Zaubertricks drauf. Wenn wir deinen Vater retten und den Roten Lord aufhalten wollen, muss ich mit eigenen Augen sehen, was passiert. Ich werde mich beeilen und aufpassen. Ihr bleibt einfach hier. Muffin wird euch beschützen.«
Ich sah ihn skeptisch an. »Die Katze soll uns beschützen? Du kannst uns nicht einfach hier zurücklassen. Was ist mit unserem Unterricht?«
»Sobald ich zurückkomme«, versprach Amos. »Macht euch keine Sorgen, die Villa ist geschützt. Ihr dürft bloß nicht rausgehen. Lasst euch nicht überlisten, öffnet niemandem die Tür. Und egal was passiert, geht auf keinen Fall in die Bibliothek. Ich verbiete es euch unter allen Umständen. Bei Sonnenuntergang werde ich zurück sein.«
Bevor wir protestieren konnten, ging Amos ruhig zum Rand der Terrasse und sprang in die Tiefe.
»Nein!«, schrie Sadie. Wir rannten zum Geländer und sahen hinunter. Der East River lag über dreißig Meter unter uns. Von Amos war nichts zu sehen. Er war wie vom Erdboden
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