Die Kane-Chroniken, Band 1: Die rote Pyramide
an.
»Unmöglich«, sagte Zia. »Die Bänder sind zu mächtig. Selket kann nicht wieder Gestalt annehmen, es sei denn –«
»Tatsache ist, sie nimmt gerade Gestalt an«, schrie Carter, »und unser Ausgang schließt sich! Wir müssen los!«
Ich konnte nicht glauben, dass er vorhatte, in eine wirbelnde Sandwand zu springen, doch als ich sah, wie die schwarze Wolke die Form eines zwei Stockwerke hohen Skorpions annahm – eines sehr wütenden Skorpions –, fiel mir meine Entscheidung leichter.
»Ich komme!«, brüllte ich.
»Zia!«, schrie Carter. »Jetzt!«
»Vielleicht hast du Recht«, entschied die Magierin. Sie drehte sich um und gemeinsam rannten wir los und sprangen geradewegs in den wirbelnden Strudel.
CARTER
13.
Auge in Auge mit dem Monstertruthahn
Ich bin dran.
Erstens war Sadies Kommentar von wegen »Hündchen« total daneben. Ich habe Zia nicht mit leuchtenden Augen angestarrt. Ich treffe bloß nicht so oft Leute, die Feuerbälle werfen und gegen Götter kämpfen können. [Hör auf, Grimassen zu schneiden, Sadie. Du siehst wie Cheops aus.]
Egal, jedenfalls tauchten wir in den Sandtrichter ein.
Alles wurde dunkel. Während ich vorwärtssauste, flatterte mein Magen mit dieser Schwerelosigkeit, die man in der Achterbahn spürt. Um mich herum peitschte heiße Luft, meine Haut brannte.
Dann stolperte ich aus dem Strudel heraus auf einen kalten Fliesenboden und Sadie und Zia fielen auf mich drauf.
»Autsch!«, schimpfte ich.
Das Erste, was mir auffiel, war die feine Sandschicht, die meinen Körper wie Puderzucker bedeckte. Nach einer Weile gewöhnten sich meine Augen an das grelle Licht. Wir befanden uns in einem großen Gebäude, das einem Einkaufszentrum ähnelte, um uns herum drängten sich Menschenmassen.
Nein … es war kein Einkaufszentrum. Es war eine zweistöckige Flughafenhalle mit Läden, jeder Menge Schaufenstern und blankpolierten Stahlsäulen. Draußen war es dunkel, wir befanden uns also offenbar in einer anderen Zeitzone. Über die Lautsprecheranlage ertönten Ankündigungen in einer Sprache, die wie Arabisch klang.
Sadie spuckte Sand aus. »Pfui Teufel!«
»Kommt«, sagte Zia. »Hier können wir nicht bleiben.«
Ich rappelte mich auf. Menschen strömten vorbei – einige in westlicher Kleidung, andere in Gewändern und Kopftüchern. Eine Familie, die sich auf Deutsch stritt, rannte mich im Vorbeilaufen fast mit ihren Koffern um.
Als ich mich umdrehte, entdeckte ich etwas, das mir bekannt vorkam. Mitten in der Halle stand eine naturgetreue Nachbildung eines altägyptischen Bootes, das aus leuchtenden Schaukästen gefertigt war – es war ein Verkaufsstand für Parfüm und Schmuck.
»Das ist der Flughafen von Kairo«, stellte ich fest.
»Ja«, bestätigte Zia. »Und jetzt müssen wir los!«
»Warum hast du es so eilig? Kann Selket … kann sie uns durch das Sandtor folgen?«
Zia schüttelte den Kopf. »Ein Artefakt überhitzt sich jedes Mal, wenn es ein Tor schafft. Es muss zwölf Stunden abkühlen, bevor man es wiederverwenden kann. Aber wir müssen uns trotzdem vor dem Sicherheitsdienst hier in Acht nehmen. Falls ihr nicht Bekanntschaft mit der ägyptischen Polizei schließen wollt, kommt besser jetzt mit.«
Sie packte uns am Arm und führte uns durch die Menge. In unseren altmodischen Klamotten und von Kopf bis Fuß voller Sand wirkten wir bestimmt wie Bettler. Die Menschen wichen uns weiträumig aus, aber niemand versuchte uns aufzuhalten.
»Warum sind wir hier?«, wollte Sadie wissen.
»Um uns die Ruinen von Heliopolis anzuschauen«, erwiderte Zia.
»In einem Flughafen ?«, fragte Sadie.
Ich erinnerte mich an etwas, das mir Dad vor Jahren erzählt hatte, und meine Kopfhaut fing zu jucken an.
»Sadie, die Ruinen befinden sich unter uns.« Ich sah zu Zia. »Das stimmt doch, oder?«
Sie nickte. »Die antike Stadt wurde schon vor Jahrhunderten geplündert. Manche Monumente wurden davongekarrt, so wie die beiden Obelisken von Kleopatra. Die meisten Tempel wurden abgerissen und an ihrer Stelle wurden neue Gebäude errichtet. Was übrig blieb, verschwand unter Kairos Vorstädten. Der größte Teil befindet sich unter diesem Flughafen.«
»Und wie soll uns das weiterhelfen?«, erkundigte sich Sadie.
Zia trat eine Tür auf, zu der eigentlich nur Personal Zugang hatte. Dahinter befand sich eine Besenkammer. Zia murmelte einen Befehl – »Sahad« –, die Kammer fing zu schimmern an und verschwand, dahinter kam eine Steintreppe zum Vorschein, die in die Tiefe
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