Die Kane-Chroniken – Der Feuerthron
Luft. »Gefüllte Datteln mochtest du doch gern, oder? Du brauchst nur herauszukommen und zuzulassen, dass ich dich verschlinge – unterhalte , wollte ich sagen.«
»Will einen Keks«, quengelte Re.
»Welche Sorte?«
»Wieselkeks.«
Ich sag’s euch, die Bemerkung über den Wieselkeks rettete möglicherweise das bekannte Universum.
Apophis trat einen Schritt zurück, offensichtlich verwirrte ihn die Äußerung über Wieselkekse, die noch chaotischer war als er selbst. Und in diesem Moment schlug Michel Desjardins zu.
Der Oberste Vorlesepriester hatte sich offenbar tot gestellt, vielleicht hatte er sich auch nur schnell erholt. Er richtete sich auf, stürzte sich auf Apophis und knallte ihn gegen den glühenden Thron.
Menschikow kreischte mit seiner alten krächzenden Stimme. Dampf zischte, als würde man Wasser über einen Grill schütten. Desjardins’ Gewand fing Feuer. Re huschte zum hinteren Teil des Boots, wo er mit seinem Krummstab in der Luft herumstocherte, als wolle er die bösen Männer verjagen.
Ich rappelte mich auf, hatte aber noch immer das Gefühl, ein paar Hundert Extrakilos mit mir herumzuschleppen. Menschikow und Desjardins rangen vor dem Thron miteinander. Das war die Szene, die ich im Gang der Zeitalter gesehen hatte: der erste Augenblick eines neuen Zeitalters.
Obwohl ich wusste, dass ich Desjardins zu Hilfe eilen sollte, rannte ich am Ufer entlang und suchte nach der Stelle, wo ich Sadie zuletzt gesehen hatte. Ich fiel auf die Knie und fing zu graben an.
Desjardins und Menschikow rangen miteinander und riefen Worte der Macht. Als der Oberste Vorlesepriester Maat herbeirief, sah ich eine Hieroglyphenwolke und rotes Licht um sie herumschwirren. Apophis löste Desjardins’ Zaubersprüche jedoch sofort wieder mit Chaos auf. Was Re anbelangte, den allmächtigen Sonnengott, er war zum Heck der Barke gerannt und kauerte dort unter der Ruderpinne.
Ich grub weiter.
»Sadie«, murmelte ich. »Komm schon. Wo steckst du?«
Denk nach , sagte ich mir.
Ich schloss die Augen. Ich dachte an Sadie – an alles, was wir seit Weihnachten miteinander erlebt hatten. Wir hatten jahrelang getrennt gelebt, aber in den letzten drei Monaten war sie mir vertrauter geworden als sonst jemand auf der Welt. Wenn sie während meiner Bewusstlosigkeit meinen geheimen Namen herausfinden konnte, sollte ich doch wohl in der Lage sein, sie in einem Sandhaufen auszubuddeln.
Ich sprintete ein paar Meter nach links und fing erneut an zu graben. Sofort kratzte ich über Sadies Nase. Sie stöhnte, also war sie zumindest am Leben. Ich wischte ihr den Sand vom Gesicht und sie hustete. Als sie mir die Arme entgegenstreckte, zog ich sie hoch. Ich war so erleichtert, dass ich fast losgeschluchzt hätte; aber da ich ein cooler Macho bin, ließ ich es bleiben.
[Klappe, Sadie. Diesen Teil der Geschichte erzähl ich.]
Auf der Sonnenbarke rangen Apophis und Desjardins noch immer miteinander.
Desjardins brüllte: »Heh-sieh!«, daraufhin flammte zwischen ihnen eine Hieroglyphe auf.
Apophis wurde in hohem Bogen vom Boot geschleudert. Er segelte direkt über unsere Köpfe und landete ungefähr sieben Meter weiter im Sand.
»Nette Nummer«, murmelte Sadie benommen. »Die Hieroglyphe für ›Geh zurück‹ .«
Desjardins taumelte von der Sonnenbarke. Sein Gewand qualmte zwar noch immer, trotzdem zog er eine Tonstatuette aus dem Ärmel – eine rote Schlange mit eingemeißelten Hieroglyphen.
Sadie schnappte nach Luft. »Ein Uschebti von Apophis? Darauf steht die Todesstrafe!«
Ich konnte verstehen, warum. Bilder hatten Macht. In den falschen Händen konnten sie das Geschöpf, das sie darstellten, stärker machen oder sogar herbeirufen und eine Statue von Apophis war viel zu gefährlich, um damit herumzuspielen. Aber ein Bild war eben auch eine notwendige Zutat für bestimmte Zaubersprüche.
»Eine Ächtung«, erklärte ich. »Er versucht Apophis auszulöschen.«
»Das schafft er niemals!«, erwiderte Sadie. »Das ist sein sicherer Tod!«
Desjardins stimmte einen Sprechgesang an. Rings um ihn leuchteten Hieroglyphen in der Luft und wirbelten in einen Kegel schützender Kraft. Sadie versuchte aufzustehen, aber sie war auch nicht in besserer Verfassung als ich.
Apophis setzte sich auf. Der Feuerthron hatte einen Albtraum von Verbrennungen auf seinem Gesicht hinterlassen. Er sah wie eine halb rohe Fleischscheibe eines Hamburgers aus, die jemand in den Sand hatte fallen lassen. [Sadie meint, das sei zu ekelhaft. Na ja,
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