Die Kane-Chroniken – Der Feuerthron
Kurz vor der Straßensperre bremste Bes.
»Stimmt was nicht?«, fragte ich. »Können wir nicht unsichtbar vorbeifahren?«
»Die Sterblichen machen mir keine Sorgen.« Er deutete geradeaus.
Sämtliche Polizisten, Reporter und Gaffer an den Absperrungen waren eingeschlafen. Mehrere militärisch aussehende Typen in Schutzwesten lagen zusammengerollt auf dem Gehweg und umarmten ihre Sturmgewehre wie Teddybären.
Vor der Straßensperre standen Carter und Walt und blockierten den Weg. Sie waren zerzaust und atmeten so schwer, als wären sie den ganzen Weg von Brooklyn hergerannt. Beide hielten ihre Zaubermesser griffbereit. Carter trat einen Schritt vor und zielte mit seinem Schwert auf die Windschutzscheibe.
»Lass sie gehen!«, brüllte er Bes an. »Oder ich bring dich um!«
Bes drehte sich zu mir um. »Soll ich ihm Angst einjagen?«
»Nein!«, erwiderte ich. Das gehörte zu den Sachen, die ich nicht noch mal sehen musste. »Ich regel das schon.«
Ich stieg aus der Limousine. »Hallo, Jungs. Wie immer zur richtigen Zeit.«
Walt und Carter runzelten die Stirn.
»Du bist nicht in Gefahr?«, fragte mich Walt.
»Nicht mehr.«
Carter ließ zögernd sein Schwert sinken. »Willst du damit sagen, der hässliche Typ –?«
»Ist ein Freund«, erklärte ich. »Bastets Freund. Er ist auch unser Fahrer.«
Carter sah gleichermaßen verwirrt, genervt und nervös aus. Das war ein zufriedenstellender Abschluss meiner Geburtstagsparty.
»Und wohin fährt uns unser Fahrer?«, fragte er.
»Nach Russland natürlich«, erwiderte ich. »Steigt ein.«
Carter
9.
Eine Person mit vertikalem Förderungsbedarf führt uns durch Russland
Wie üblich hat Sadie ein paar wichtige Details ausgelassen, zum Beispiel dass Walt und ich unser Leben riskiert haben, um sie zu finden.
Es war kein Spaß, zum Brooklyn Museum zu fliegen. Wir mussten uns wie Tarzan mit einem Seil unter den Bauch des Greifs hängen, Polizisten ausweichen, Rettungskräften und etlichen alten Damen, die mit Schirmen bewaffnet Jagd auf uns machten und schrien: »Da ist der Kolibri! Bringt ihn um!«
Als wir es schafften, ein Portal zu öffnen, wollte ich Freak eigentlich mitnehmen, doch beim Anblick des Tors aus wirbelndem Sand wurde er … wie soll ich sagen, wirklich zum Freak. Wir mussten ihn zurücklassen.
Bei unserer Ankunft in London sahen wir auf den Fernsehbildschirmen in den Schaufenstern Aufnahmen von der Waterloo Station – irgendwas über einen merkwürdigen Tumult in der Bahnhofshalle mit ausgebrochenen Tieren und einem heftigen Sturm. Tja, wer konnte das wohl sein? Mit Hilfe von Walts Amulett des Luftgottes Schu riefen wir einen Windstoß für einen Sprung zur Waterloo Bridge herbei. Natürlich landeten wir mitten in einem schwer bewaffneten Überfallkommando. Wir konnten von Glück sagen, dass ich mich an den Schlafzauber erinnerte.
Und als wir dann – endlich – so weit waren, dass wir losstürzen und Sadie retten konnten, fährt sie in einer Limousine mit einem hässlichen Zwerg in Badehose am Steuer vor und wirft uns vor, wir kämen zu spät.
Auf ihre Bemerkung, der Zwerg würde uns nach Russland fahren, fiel mir nicht mehr ein als: »Auch egal.« Ich stieg ins Auto.
Während Sadie, Walt und ich Geschichten austauschten, fuhr die Limousine durch Westminster.
Als ich hörte, was Sadie hinter sich hatte, fand ich meinen Tag gar nicht so übel. Ein Traum von Apophis und eine dreiköpfige Schlange im Übungsraum schienen nicht annähernd so gruselig wie Götter, die von unseren Großeltern Besitz ergriffen. Ich hatte Gran und Gramps nie sonderlich gemocht, aber trotzdem – das war krass.
Ich konnte auch nicht glauben, dass Bes unser Chauffeur war. Dad und ich hatten in Museen immer über die Darstellungen von ihm gelacht – über seine hervorquellenden Augen, seine komische Zunge, die mal rechts und mal links aus dem Mund hing, und den grundsätzlichen Mangel an Klamotten. Angeblich konnte er so gut wie alles verjagen – Geister, Dämonen, sogar andere Götter –, wofür ihn die einfachen Ägypter verehrten. Bes kümmerte sich um die kleinen Leute … äh, das war nicht als Zwergenwitz gemeint. Er sah in echt genau so aus wie auf den Bildern, bloß in voller Farbe, mit vollem Geruch.
»Wir stehen in deiner Schuld«, sagte ich zu ihm. »Du bist also ein Freund von Bastet?«
Er bekam rote Ohren. »Ja … ja. Ab und zu bittet sie mich um einen Gefallen. Ich versuche, ihr behilflich zu sein.«
Mir drängte sich das Gefühl auf,
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