Die Kane-Chroniken – Der Feuerthron
dass es da irgendeine Vorgeschichte gab, über die er sich nicht auslassen wollte.
»Als Horus mit mir geredet hat«, sagte ich, »da hat er mich gewarnt, dass uns möglicherweise ein paar Götter davon abhalten wollen, Re zu wecken. Jetzt wissen wir vermutlich, welche.«
Sadie atmete aus. »Wenn ihnen dein Plan nicht passt, hätte eine wütende SMS auch genügt. Nechbet und Babi haben mich fast in Stücke gerissen!«
Sie sah ein bisschen grün im Gesicht aus. Ihre Springerstiefel waren mit Shampoo und Matsch bekleckert und ihre Lieblingslederjacke hatte einen Fleck auf der Schulter, der verdächtig nach Geierkacke aussah. Trotzdem war ich beeindruckt, dass sie bei Bewusstsein war. Zaubertränke sind schwer herzustellen und noch schwerer einzusetzen. Es hat immer seinen Preis, so viel Energie zu kanalisieren.
»Du hast dich tapfer geschlagen«, sagte ich.
Sadie blickte verärgert auf das schwarze Messer in ihrem Schoß – die Ritualklinge, die ihr Anubis gegeben hatte. »Ohne Bes wäre ich tot.«
»Ach was«, erwiderte Bes. »Na ja, gut, vielleicht wärst du tot. Aber es wäre ein stilvoller Abgang gewesen.«
Sadie drehte das seltsame schwarze Messer, als wären darauf möglicherweise Inschriften zu finden.
»Es ist ein Netjeri «, erklärte ich. »Eine Schlangen klinge. Priester verwendeten sie für –«
»Das Mundöffnungsritual«, beendete sie den Satz. »Aber wie soll uns das helfen?«
»Keine Ahnung«, gestand ich. »Bes?«
»Todesrituale meide ich nach Möglichkeit.«
Ich sah zu Walt. Magische Gegenstände waren seine Spezialität, aber er schien nicht zuzuhören. Seit dem Augenblick, als uns Sadie von ihrer Unterhaltung mit Anubis berichtet hatte, war Walt unheimlich ruhig gewesen. Er saß neben ihr und spielte an seinen Ringen herum.
»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte ich ihn.
»Klar … ich denk bloß nach.« Er warf Sadie einen Blick zu. »Über Netjeri -Klingen, mein ich.«
Sadie zupfte an ihren Haaren herum, als versuche sie, einen Vorhang zwischen Walt und sich zu ziehen. Die Spannung zwischen ihnen war so groß, dass ich bezweifelte, dass ein magisches Messer sie durchschneiden könnte.
»Scheißanubis«, murmelte sie. »Ich hätte krepieren können und ihm wär’s egal gewesen.«
Danach fuhren wir eine Weile, ohne dass jemand etwas sagte. Schließlich bog Bes auf die Westminster Bridge und fuhr wieder ans andere Ufer der Themse.
Sadie runzelte die Stirn. »Wo fahren wir hin? Wir brauchen ein Portal. Und die besten Artefakte stehen im British Museum.«
»Klar«, sagte Bes. »Das wissen die anderen Magier auch.«
»Andere Magier?«, fragte ich.
»Kleiner, das Lebenshaus hat überall auf der Welt Niederlassungen. London ist der Neunte Nomos. Mit dem Stunt in der Waterloo Station hat Miss Sadie gerade eine unübersehbare Leuchtrakete abgeschossen, die allen Anhängern Desjardins’ verkündet: Hier bin ich! Ihr könnt darauf wetten, dass sie jetzt Jagd auf euch machen werden. Sie werden das Museum für den Fall bewachen, dass ihr euch aus dem Staub machen wollt. Zum Glück kenne ich eine andere Stelle, wo wir ein Portal öffnen können.«
Ein Zwerg erklärte mir die Welt. Eigentlich hätte ich selbst darauf kommen können, dass es in London andere Magier gab. Das Lebenshaus war überall. Außerhalb der Schutzzone des Brooklyn House waren wir nirgendwo auf der Welt sicher.
Wir fuhren durch Südlondon. Die Gegend entlang der Camberwell Road war fast so deprimierend wie meine Gedanken. Reihen schmuddeliger Backsteinwohnblocks und Billigläden säumten die Straße. Von einer Bushaltestelle starrte uns eine alte Frau grimmig an. Vor einem Asda-Supermarkt standen ein paar harte Jungs und beäugten den Mercedes, als wollten sie ihn klauen. Ich überlegte, ob sie verkleidete Götter oder Magier waren, denn die meisten Menschen bemerkten den Wagen nicht.
Ich hatte keine Vorstellung, wohin uns Bes bringen würde. Es war jedenfalls kein Stadtviertel, in dem man eine Menge ägyptische Artefakte vermutete.
Schließlich öffnete sich zu unserer Linken ein großer Park: nebelverhangene grüne Wiesen, baumgesäumte Alleen und ein paar zerfallene Mauern, die an Aquädukte erinnerten. Das Gelände stieg zu einer Hügelkuppe an, auf der ein Funkturm stand.
Bes fuhr über die Bordsteinkante und preschte geradewegs durch das Gras, dabei nietete er ein Schild mit der Aufschrift BETRETEN DER RASENFLÄCHE VERBOTEN um. Da der Abend grau und regnerisch war, hielten sich nur wenige Menschen im Park
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