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Die Kane-Chroniken – Der Schatten der Schlange

Die Kane-Chroniken – Der Schatten der Schlange

Titel: Die Kane-Chroniken – Der Schatten der Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Riordan
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klar sehen. Die Hieroglyphen verschwammen miteinander. Dieses Problem hätte ich vorhersehen sollen. Selbst wenn ich nicht im Meer des Chaos stand, war ich nie gut mit Beschwörungen gewesen. Wenn doch bloß Sadie da gewesen wäre!
    [Ja, Sadie. Das hab ich wirklich gesagt. Du brauchst gar nicht so demonstrativ nach Luft zu schnappen.]
    »Ich – ich kann das nicht lesen«, gestand ich.
    »Komm, ich helf dir.« Zia fuhr mit dem Finger die Rolle hinunter. Als sie die Hieroglyphen fand, die sie suchte, runzelte sie die Stirn.
    »Das ist ein einfacher Zauber, mit dem man jemanden herbeiruft!« Sie blitzte Setne böse an. »Du hast behauptet, die Magie sei kompliziert. Du hast behauptet, wir bräuchten deine Hilfe. Wie hast du es geschafft zu lügen, während du die Feder der Wahrheit hieltest?«
    »Ich habe nicht gelogen!«, protestierte Setne. »Für mich ist die Magie wirklich kompliziert. Ich bin ein Geist! Einige Zauber – zum Beispiel solche, mit denen man jemanden oder etwas herbeiruft – kann ich überhaupt nicht anwenden. Und ihr habt mich wirklich gebraucht, um den Schatten zu finden. Wozu ihr wiederum das Buch des Thot brauchtet, und mich brauchtet ihr, um es richtig zu deuten. Sonst würdet ihr immer noch als Schiffbrüchige am Fluss sitzen.«
    Ich gab es ungern zu, aber ich sagte: »Da hat er Recht.«
    »Klar hab ich Recht«, sagte Setne. »Jetzt, da ihr hier seid, ist der Rest nicht mehr so schlimm. Zwingt den Schatten einfach, sich zu zeigen, dann kann ich – ähm –, könnt ihr ihn fangen.«
    Zia und ich tauschten einen nervösen Blick. Vermutlich ging ihr dasselbe durch den Kopf wie mir. Am Rande der Schöpfung vor dem endlosen Meer des Chaos stehend war das Aussprechen eines Zaubers, der einen Teil von Apophis’ Seele herbeirufen würde, wirklich das Letzte, was ich tun wollte. Es war ungefähr so, als würde man eine Leuchtpistole abschießen und ein Signal geben: Hey, großer fieser Schatten! Hier sind wir! Komm und bring uns um!
    Aber anscheinend blieb uns keine Wahl.
    Zia übernahm die Ehrbezeugungen. Es war eine einfache Anrufung, ähnlich der, mit der ein Magier ein Uschebti oder einen Zauberwischmopp oder so ziemlich jedes niedrige Geschöpf aus der Duat herbeiruft.
    Als Zia fertig war, breitete sich in alle Richtungen ein Zittern aus, als hätte sie einen riesengroßen Stein ins Meer des Chaos geworfen. Die Störung lief über den Strand und die Hügel.
    »Mmh … was war das denn?«, fragte ich.
    »Ein Notruf«, sagte Setne. »Der Schatten hat vermutlich gerade die Mächte des Chaos um Schutz gebeten.«
    »Super«, sagte ich. »Dann beeilen wir uns wohl lieber. Wo ist –? Oh …«
    Der Schut von Apophis war so groß, dass ich einen Augenblick brauchte, bis ich kapierte, was ich da sah. Der weiße Obelisk schien einen Schatten auf das Meer zu werfen, doch als er dunkler wurde, erkannte ich, dass das nicht stimmte. Der Schatten wand sich vielmehr wie der Körper einer Riesenschlange über die Wasseroberfläche. Er wuchs, bis der Kopf der Schlange fast den Horizont berührte. Er peitschte über das Meer, die Zunge schnellte vor und biss ins Nichts.
    Meine Hände zitterten. Mein Bauch fühlte sich an, als hätte ich gerade ein großes Glas Chaoswasser runtergekippt. Der Schatten der Schlange war so riesenhaft, strahlte so viel Energie aus. Wie sollten wir ihn nur einfangen? Was hatte ich mir bloß gedacht?
    Nur eines hielt mich davon ab, völlig in Panik zu geraten.
    Die Schlange hatte sich noch nicht vollständig befreit. Ihr Schwanz schien am Obelisken verankert zu sein, als hätte jemand sie festgenagelt, um sie an der Flucht zu hindern.
    Einen verstörenden Moment lang fühlte ich die Gedanken der Schlange. Ich sah die Dinge aus Apophis’ Sicht. Der weiße Obelisk hielt ihn gefangen – und er war wütend und hatte Schmerzen. Er hasste die Welt der Sterblichen und Götter, die ihn festbanden und in seiner Freiheit einengten. Apophis verabscheute die Schöpfung, wie ich vielleicht einen rostigen Nagel in meinem Fuß verabscheuen würde, der mich am Laufen hinderte.
    Apophis’ sehnlichster Wunsch war es, das blendende Licht des Obelisken auszulöschen. Er wollte die Erde vernichten, damit er in die Dunkelheit zurückkehren und für alle Ewigkeit im endlosen Chaos schwimmen konnte. Es erforderte meine ganze Willenskraft, kein Mitleid für die arme kleine weltzerstörende sonnenverschluckende Schlange zu empfinden.
    »Nun gut«, sagte ich mit heiserer Stimme. »Wir haben den

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