Die Kanonen von Navarone
ganz sicher zu geben.«
»Fein! Prächtig! Vermutlich grast der ganze Verein die Umgebung nach uns ab. Wäre interessant, zu hören, was die sagen würden, wenn einer sie aufmerksam machte, daß wir sozusagen in ihrem Vorzimmer sitzen.«
»Das würden sie einfach nicht glauben«, sagte Andrea ohne Zögern. »Hier würden sie zu allerletzt nach uns suchen.«
»Noch nie habe ich so wie jetzt gehofft, du mögest recht haben«, murmelte Mallory wie ein Gebet. Er ging an das Balkongitter. Als er nach unten in die Finsternis blickte, schauderte es ihn. Was für eine Tiefe! Und wie kalt es war. Dieser wie aus Schleusen fallende, senkrechte Regen durchkältete einen bis auf die Knochen … Er trat etwas zurück und schüttelte das Geländer. »Meinst du, daß dies Ding stark genug ist?« flüsterte er.
»Keine Ahnung, Keith, kann's wirklich nicht sagen, aber ich hoffe«, erwiderte Andrea achselzuckend.
»Ich hoffe es auch, und andern läßt sich sowieso nichts – es muß hier sein.« Mallory beugte sich wieder weit über das Geländer und drehte den Kopf nach rechts oben. In dem vom Regen erfüllten nächtlichen Dunkel konnte er als noch dunklere Fläche den Schlund der Höhle erkennen, in der die zwei großen Kanonen standen, im schrägen Winkel etwa zwölf Meter von seinem Platz, zu der senkrechten Klippenwand gemessen noch neun Meter über dem Balkon. Wer sich zutraute, da hinaufzuklettern, konnte ebenso auf den Mond oder den Mars steigen.
Er trat zurück und drehte sich um, da er Brown auf den Balkon hinken hörte. »Gehen Sie bitte vorn ins Haus und bleiben Sie da, Casey«, sagte er. »Stellen Sie sich ans Fenster, die Vordertür nicht abschließen. Falls Besucher kommen, hereinlassen.«
»Sie mit einem Knüppel oder Messer umlegen, aber nicht schießen«, murmelte Brown. »Stimmt doch, Sir?«
»Ganz recht, Casey.«
»Überlassen Sie diese Kleinigkeit nur mir«, sagte Brown verbissen, während er durch die Tür ins Haus humpelte.
Mallory wandte sich an Andrea. »Nach meiner Uhr noch 25 Minuten.«
»Nach meiner auch: 23 vor 9.«
»Mach's gut«, murmelte Mallory. Er lächelte Miller zu. »Kommen Sie, Dusty, die Vorstellung beginnt …«
Fünf Minuten später saß er mit Miller in einer Taverne ganz in der Nähe der Südseite des Marktplatzes. Trotz der grellblauen Farbe, mit der der Wirt alles Sichtbare bemalt hatte – Wände, Tische, Stühle, Borte, alles in demselben abscheulich krassen Farbton: Blau und Rot für die Weinkneipen und Grün für die Süßwarenläden waren auf den Inseln sonst allgemein üblich –, war das Lokal düster, bei der schlechten Beleuchtung fast so düster wie die strengen, ehrbaren, mit gewaltigen Schnurrbärten verzierten Gesichter der Helden des Unabhängigkeitskrieges, deren dunkle Augen sie aus einem halben Dutzend verblaßter, in Mannshöhe an den Wänden hängender Drucke anstarrten. Zwischen je zwei dieser Porträts hing ein knallig buntes Reklameplakat für das Bier der Brauerei Fix. Die Gesamtwirkung dieser »Verschönerungen« war unbeschreiblich häßlich, und Mallory dachte mit Schaudern daran, wie das Lokal wohl aussehen würde, wenn der Wirt stärkere Leuchtkörper besäße, als die beiden blakenden Petroleumlampen, die vor ihm auf der Theke standen.
In ihrer Situation aber gefiel ihm das Halbdunkel durchaus. Mit ihrer dunklen Kleidung, den bestickten Jacken, den Schärpen und Schaftstiefeln sahen sie ganz echt aus, und die Turbane mit dem schwarzen Besatz, die Louki auf mysteriöse Weise für sie beschafft hatte, paßten ebenfalls im Stil in eine Taverne, wo sämtliche anwesenden Insulaner – acht waren es wohl – dieselbe Kopfbedeckung trugen. Der Wirt hielt sie zweifellos für echte Griechen, und außerdem war vom Wirt einer kleinen Weinkneipe nicht zu erwarten, daß er sämtliche fünftausend Einwohner des Städtchens persönlich kannte. Und als patriotischer Grieche (was er nach Loukis Erklärung war) hätte der Mann, solange deutsche Soldaten in seinem Lokal waren, ihnen niemals das geringste Mißtrauen gezeigt. Es waren nämlich Deutsche anwesend, vier Mann, an einem Tisch dicht bei der Theke. Deshalb war Mallory auch froh über das Halbdunkel in dem Raum. Angst vor einem Handgemenge mit denen brauchten er und Dusty Miller bestimmt nicht zu haben, denn die Soldaten, die hier zu verkehren pflegten, waren, wie Louki ihnen schon vorher gesagt hatte, schlappe Kerle – Schreibstubenbullen, schätzte Mallory –, aber den Kopf vorzeitig in die
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