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Die Kanonen von Navarone

Die Kanonen von Navarone

Titel: Die Kanonen von Navarone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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fünfzehn Meter tiefer schon mit dem Kopf gegen einen niederträchtig scharfen Felsvorsprung gestoßen war, der ihm die Schläfe bis auf den Knochen durchschnitten hatte. Und mit dem pulsierenden Blut war die Kraft aus seinem Körper geströmt.
    Er hatte gehört, daß Mallory etwas vom Fuß des Kamins sagte, doch sein Hirn war nicht mehr fähig, in Worten einen Sinn zu finden. Nur noch eins war ihm bewußt: daß er kletterte, und daß man zu klettern erst aufhört, wenn man oben ist. Das hatte ihm sein Vater oft genug eingeprägt, und seine Brüder nicht minder. Den Gipfel mußte man erreichen …
    Halb hatte er den Kamin schon erstiegen, und rastete einen Augenblick auf dem Steigeisen, das Mallory dort eingeschlagen hatte. Er hakte die Finger in den Spalt, legte den Kopf in den Nacken und blickte empor zur Öffnung des Kamins. Drei Meter nur noch. Er empfand weder Überraschung noch Freude. Da war das Ziel, und das mußte er erreichen. Von oben hörte er deutlich Stimmen. Ein wenig wunderte es ihn, daß die Kameraden ihm gar nicht zu helfen versuchten, daß sie das Seil, mit dem er das letzte Stück soviel leichter geschafft hätte, hinabgeworfen hatten, doch das erbitterte ihn nicht, erweckte überhaupt kein Gefühl in ihm. Vielleicht wollten sie ihn nur auf die Probe stellen. Es war doch alles so egal – nur hinauf mußte er.
    Und er gelangte hinauf. So sorgfältig wie vor ihm Mallory schob er die lose Erde und das kleine Geröll beiseite, fand mit den tastenden Fingern denselben Halt und begann sich emporzuziehen. Er sah die zuckenden Lichtstrahlen, hörte aufgeregtes Sprechen, und jetzt hob sich für einen Moment der Nebel in seinem Gehirn und eine letzte Welle von Furcht durchflutete ihn, und die Furcht raunte ihm zu, daß die Stimmen die seiner Feinde sein mußten, von denen seine Kameraden getötet worden waren. Nun wußte er, daß er allein war. Er hatte versagt, und dies war das Ende, so oder so, und alles war vergeblich gewesen. Und schon hatte sich der Nebel wieder über sein Bewußtsein gelegt, er spürte nur noch die Leere, die Nutzlosigkeit, die überwältigende Ermattung und Verzweiflung. Langsam sank sein Körper wieder an der Kaminwand tiefer. Und dann lösten sich auch die eingehakten Finger, glitten ab und öffneten sich, allmählich, zögernd, wie die Finger eines Ertrinkenden den letzten Halt am treibenden Holz loslassen. Keine Furcht war mehr in ihm, nur ungeheure Gleichgültigkeit, als die Hände ganz abrutschten und er wie ein Stein abstürzte, sechs Meter senkrecht hinab in den engen Hals des Trichters, den der Kamin bildete.
    Er gab nicht den kleinsten Laut von sich, keinen Schmerzensschrei, denn mit dem Schmerz kam auch schon die Finsternis. Aber die oben zwischen den Felsen angespannt lauschenden Männer hörten deutlich das dumpfe, schreckliche Knacken, als sein rechtes Bein glatt in zwei Teile brach, wie ein halbverfaulter Ast …

6. KAPITEL
    Montag nacht 02.00 bis 06.00
    Die deutsche Patrouille war in jeder Beziehung wie Mallory befürchtet hatte: erfahren, gründlich und sehr genau. Sie hatte sogar Phantasie – das heißt: ihr junger tüchtiger Feldwebel besaß sie – und das war noch gefährlicher.
    Es waren nur vier Mann, in hohen Stiefeln, mit Stahlhelm und grün, gelb und grau getarnten Umhängen. Zuerst machten sie das Telefon ausfindig und meldeten sich bei ihrer Dienststelle. Dann teilte der Feldwebel zwei Mann ab, die eine Strecke von etwa hundert Metern am Klippenrand entlang absuchen sollten, während er selbst mit dem vierten zwischen den parallel zur Klippe liegenden Felsen forschte. Sie suchten langsam und sorgfältig, aber weit zwischen die Felsen drangen sie nicht vor. Mallory verstand die Gedanken des Feldwebels recht gut: war der Posten eingeschlafen oder krank geworden, so hatte er sich vermutlich ganz vorn in dieses Chaos von Felsblöcken zurückgezogen. So blieb er mit seinen Männern möglichst weit im Hintergrund.
    Dann aber begann, was Mallory befürchtet hatte: die methodische Untersuchung des Geländes auf der Klippe und – noch schlimmer – ganz vorn am Klippenrand. Festgehalten von seinen drei Mann, die sich unterhakten – der ihm nächste packte ihn mit der freien Hand am Gürtel – ging der Feldwebel langsam an der Kante entlang und tastete mit dem Strahl einer starken Lampe den Boden zentimeterweise ab. Plötzlich blieb er stehen, bückte sich mit einem Ausruf und suchte, Gesicht und Lampe ganz dicht am Boden, noch genauer. Keine Frage,

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