Die Kanzlerin - Roman
Geheimdienst Informationen im Zusammenhang mit einer Person, die Sie als Mozart kennen.«
»Welche?«, fragte die Kanzlerin.
Haxer zögerte. »Allein die Tatsache, dass den Russen offenbar der Name Mozart nicht fremd ist, erscheint mir durchaus beunruhigend – Konkreteres werden wir hoffentlich in den nächsten zwei Tagen erfahren. Die Dienste sind im Gespräch.«
»So wie ich das veranlasst habe«, sagte die Kanzlerin, »Putin hat mich vorbereitet auf das, was mich jetzt offenbar noch mehr zu beunruhigen hat, weil Sie es mir entsprechend vortragen, Herr Haxer.«
Professor Birnbaum kam auf seinen Vorschlag zurück, der Kanzlerin die – eher kargen – neuen Erkenntnisse im Fall Hell/Boron schriftlich zukommen zu lassen, was den BKA-Beamten Frontzeck so provozierte, dass er sich zu Wort meldete: »Frau Kanzlerin, es gibt beim mutmasslichen Suizid von Herrn Boron gewisse Fragen.«
»Dann fragen Sie und sagen mir, was für Antworten Sie gefunden haben.«
»Herr Boron hatte Damenbesuch in der fraglichen Nacht.«
»Davon war schon die Rede. Und wenn ich es einmal ganz schlau formulieren möchte, dann könnte ich jetzt sagen: Da es sich bei diesem Besuch einer sicherlich jungen Dame nicht um Frau Hell handeln konnte, wird es sich um eine andere Dame handeln. Um welche?«
»Die Spurensicherung hat im Bad von Borons Hotelzimmer rote Frauenhaare gefunden.«
»Und das BKA hat eine DNS-Spur und die auch schon abgeglichen und nennt mir jetzt den Namen dieser Dame.«
»Es waren Perückenhaare, Frau Kanzlerin.«
»Da wir in Berlin leben und nicht im fröhlichen Köln und da auch dort im Übrigen derzeit kein Karneval ist, hat sich also eine unbekannte Dame verkleidet in Borons Hotelzimmer geschlichen, um ihn dort zu töten.«
»Davon gehen wir nicht aus«, sagte Frontzeck, »eher von der Annahme, dass die Dame keine Dame war und Boron sich vor seinem Lebensaustritt …«
»Herr Frontzeck, man tritt in eine Armee ein oder einem Verein bei, aber aus dem Leben tritt niemand aus, sondern das Leben haucht man aus oder beendet es, oder es wird einem der Garaus gemacht, oder es kommt zu einem plötzlichen Herzstillstand, und man tritt ab. Aber aus diesem Leben tritt man nicht aus, weder freiwillig noch ungewollt …«
Frontzeck entschuldigte sich für seine Wortwahl, und Professor Birnbaum sagte: »Borons Leiche zeigt keinerlei Auffälligkeiten. Die Todesursache steht zweifelsfrei fest: Er starb an einer Intoxikation.«
»Womit hat er sich vergiftet?«
»K.-o.-Tropfen plus Dormicum, flüssig. Er muss es in die Camparifläschchen geschüttet haben, die in der Minibar standen. Vermutlich hat er noch etwas Sirup beigemischt, jedenfalls haben wir im Mageninhalt entsprechende Substanzen entdeckt.«
»Dormicum«, murmelte die Kanzlerin.
»Wirksubstanz Midazolam«, sagte Professor Birnbaum. »Wird in der Anästhesie verwendet, eignet sich als Narkosemittel und zur Sedierung unruhiger Patienten. Gehört zur Gruppe der Benzodiazepine.«
»Und daran ist er gestorben?«
»Atemdepression.«
»Klingt logisch«, sagte die Kanzlerin.
»Er hat etwa 40 Minuten nicht mehr geatmet«, sagte Birnbaum.
»Und die Dame, die keine Dame ist? Könnte die ihm das nicht auch eingeflösst haben?«
»Dann hätten wir Spuren eines Kampfes gefunden«, sagte Frontzeck. »Die gibt es aber nicht.«
»Kein Kratzer«, sagte Birnbaum, »Boron hatte keinen einzigen Kratzer und keine Hautabschürfungen unter seinen Fingernägeln. Es gab keinen Kampf.«
»Und darum folgern wir daraus«, sagte Frontzeck, »dass Herr Boron sich eine Dame auf sein Zimmer bestellt hatte, um sich vor seinem geplanten Suizid noch etwas Schönes zu leisten.«
»Ich finde Ihre Ausdrucksweise absolut unangemessen, Frontzeck. Wenn sich einer wie Boron das Leben nehmen will, weil Schreckliches passiert ist, dann will er sich nicht was Schönes leisten, sondern etwas ganz und gar Hässliches vergessen.« Nach einer kleinen Pause fuhr die Kanzlerin fort: »Das ist ihm dann ja leider offenbar nicht gelungen.«
»Selbstverständlich reden wir im Augenblick nur von Annahmen«, sagte Frontzeck, »und tun alles, um diese Dame ausfindig zu machen, die Boron zuletzt gesehen hat. Bis jetzt allerdings gibt es lediglich die Aussage eines Zimmermädchens, das eine schwarzhaarige Frau beobachtet hat, die sich – ein oder zwei Stunden vor Borons Tod – vor dessen Zimmertür aufgehalten hat. Ob diese schwarzhaarige Frau allerdings sein Zimmer betreten hat, weiss das Zimmermädchen
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