Die Kanzlerin - Roman
Rotkehlchens Job.«
»Ich will, dass du sie beobachtest, beide, Susi«, sagte Cookie. »Ab 22 Uhr bist du dort.«
»O.k.«, sagte sie, »aber was für Informationen willst du?«
»Personenbeschreibung von Rotkehlchen«, sagte Cookie. »Und eine Einschätzung von Mozart. Setz dich an einen Nebentisch. Hör den beiden zu. Wir können uns keinen Fehler leisten. Wenn du den geringsten Zweifel daran hast, dass Mozart eine Ratte ist, dann blas ich die Aktion ab.«
20 Uhr. Rotkehlchen stand vor dem Spiegel und lächelte sich so freundlich an wie eigentlich fast jeden Tag. Sie mochte sich. Sie war zwar klein, aber das mochten die Männer. Die Männer wollen keine Models. Die Männer wollen grösser sein. Und sie war gerne klein. Körbchengrösse D war an der Grenze, ihr plastischer Chirurg hatte aber davon nicht abgeraten, im Gegenteil. »Gerade eher kleinen Frauen«, hatte er gesagt, »stehen grosse Brüste meist besser als grossgewachsenen.« Also hatte sie sich für Implantate entschieden, mit denen sie sich gelegentlich selbst in Verlegenheit brachte. Im Freibad etwa oder in der Sauna. Aber mittlerweile hatte sie sich daran gewöhnt, unverschämt angestarrt zu werden, und genoss die Blicke. Und im Spiegel sah sie, dass sie auch ihren Blick genoss. Ich habe warme Augen, dachte Rotkehlchen undfuhr sich mit den Fingern über ihre dunkle Haut. Sie war kein Mischling, aber mit einem so braunen Teint, dass manche das vermuteten. Die Haare hatte sie schon gestern gemacht: blau-rot, mit blonden Streifen drin, das gefiel ihr. Sie mochte die Punkszene, sie mochte die Harmlosigkeit der Jungs und Mädchen, die mit ihren Hunden am Ostbahnhof sitzen oder beim Bahnhof Friedrichstrasse und mit netter Stimme etwas erbetteln. Dann fuhr sich Rotkehlchen mit einer Bewegung durchs Haar, die Männer als lasziv empfinden, lächelte sich noch einmal an und kramte in ihrer Handtasche. Das Nötige hatte sie dabei: Pariser, Betäubungsmittel, Folie, Schminkzeug, Schlüsselbund, Handy. Sie war zu früh. Also setzte sie sich auf ihren Lieblingssessel, Leder grün.
W edding ist ein schmuddeliger Bezirk, und Mozart setzte sich in eine Kneipe in Sichtweite der Disco. Kassandra war angesagt in einer gewissen Szene, aber zu der gehörte er nicht. Er wollte ein Bier bestellen, besann sich aber anders, weil Rotkehlchen vielleicht allergisch war auf Männer mit Biergeruch. Also bestellte er einen Orangensaft. So wie im Puff. Eigenartig, dass in Bordellen und bei Vernissagen die gleichen Getränke serviert werden: Sekt, Wasser oder Orangensaft. Wobei es bei manchen Vernissagen als Alternative zum Sekt auch Weisswein gab.
Er war zu früh und kaufte sich den Tagesspiegel vom nächsten Tag. Mit grosszügigem Trinkgeld für den Verkäufer, der wie immer die Schlagzeilen in Versform vortrug. Politik, die sich reimte, Katastrophen in Zweizeilern, Mozart hörte gerne zu.
Plötzlich nahm er jedoch ein anderes Handy aus seiner braunen Mappe, die er immer mit sich führte.
»Frau Kanzlerin, ich bitte Sie: Melden Sie sich bei mir. Es ist Ihre letzte Chance. Und meine vielleicht auch. Mozart.« Er wartete eine halbe Stunde, aber sie meldete sich nicht.
Mozart bezahlte, verliess die Kneipe, entfernte den Akku, zertrampelte das Handy und entsorgte beides in einem Mülleimer. Dann setzte er sich in eine andere Kneipe, versuchte, im Tagesspiegel zu lesen, konnte sich aber nicht konzentrieren. Er beobachtete, wie immer mehr Publikum ins Kassandra strömte.
» L ieber Figo, Spezialauftrag von Cookie.«
»Was ist zu tun?«
»22 Uhr, Disco Kassandra. Du wartest an der Bar. Gegen elf ist Rotkehlchen dort mit Mozart verabredet.«
»Ich weiss.«
»Die beiden werden von Silikon-Susi beobachtet. Ich möchte Fotos von den drei Schönheiten.«
»Und wozu? Willst du im Alter im Fotoalbum blättern?«
»Figo, ich brauche das nicht zu begründen. Vertrau mir, und ich vertraue dir.«
»Und dann?«
»Dann fährt Rotkehlchen mit Mozart in dessen Wohnung. Die Adresse simst dir Rotkehlchen. Du wartest eine halbe Stunde, dann fährst du mit einer Taxe ebenfalls dorthin und wartest vor dem Hauseingang. Wenn Rotkehlchen rauskommt, gehst du in Mozarts Wohnung und kontrollierst, ob sie ihren Job erledigt hat.«
»Und wer entsorgt die Leiche?«
»Joker, am Tag darauf. Ach ja: Wenn alles o.k. ist, informierst du mich, sofort.«
Figo tippte: »Melde mich nach der Aktion«, und loggte sich aus.
»Liebe Silikon-Susi: Sobald das Liebespärchen sich auf den Weg ins Liebesnetz
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