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Die Kanzlerin - Roman

Die Kanzlerin - Roman

Titel: Die Kanzlerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lenos Verlag
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Jaeger: »Voilà, Monsieur Storm, dein Berg, dein Säntis, dein Appenzell. Das ist dein Tag.«
    Um 6 Uhr 15 ist es auf 2500 Meter Höhe auch im Sommer ziemlich kühl, aber das Kollegium des Schweizer Bundesrates hatte vorgesorgt und sich – ohne Absprache – fast identischgekleidet: Die Aussenministerin trug eine schwarze warme Jacke und schwarze Jeans, Coradi kleidete sich sowieso immer schwarz, und auch Pirmin Storm hatte sich dazu entschieden, einen schwarzen Mantel mitzunehmen. Lediglich Kari Fässler fiel etwas aus dem Rahmen mit seiner himmelblauen Wanderjacke, kombiniert mit grauen Alltagshosen, die Catherine Jaeger eher unpassend fand. »Trägst du drunter eine Krawatte?«, fragte sie ihn, doch Fässler schüttelte den Kopf. »Aber ich«, sagte Finanzminister Storm.
    Angenehmerweise hatten die Bediensteten des Panoramarestaurants den reservierten Saal sogar etwas beheizt, und Coradi war plötzlich sehr aufgedreht: »Pirmin, wie Catherine schon gesagt hat: Das ist dein Tag heute. Nutz die Gunst der Stunde, und erklär dem deutschen Finanzminister einmal klipp und klar, dass die Schweiz a) schon lange kein Bankgeheimnis mehr hat, b) ein souveräner Staat ist und also auch nicht mit Luxemburg verwechselt werden darf und dass c) Gesetze eines Nationalstaates auch dann zu respektieren sind, wenn sie sich von den Gesetzen des grossen Nachbarn in manchen Punkten unterscheiden.« Catherine Jaeger appellierte an den Charme aller Anwesenden und meinte, im Plauderton könne viel mehr gesagt werden als in einem Diskurs und dass im Übrigen Deutsche-Bank-Chef Glanzmann ein ideales Bindeglied in kontroversen Fragen sei. Dann bestellte sie einen Schwarztee.

» C aspers, Lars Schwarzer ist nicht gekommen.« Die Kanzlerin war so beunruhigt, dass sie am Simsen war, als einer der Musiker mit dem Bogen dreimal über seinen Kontrabass strich und um Aufmerksamkeit bat. »Verehrte Frau Kanzlerin, verehrte Ministerin und Minister, verehrte Gäste, es ist dem Trio Apero eine wirklich grosse Ehre, bei dieser Bergfahrt aufspielen zu dürfen und Sie mit Appenzeller Klängen auf den Säntis zu begleiten. DerName Apero ist heute besonders passend, weil es eine Sonnenaufgangsfahrt ist und Sie gleich in den Genuss kommen von Spezialitäten und Leckereien aus unserer Appenzeller Küche, auf die sich der Name unserer Musikgruppe auch bezieht: Ape steht für Appenzell und das ro für die Rhoden, und weil wir Appenzeller zusammenhalten, spielt es in der Welt unserer Musik auch keine Rolle, ob einer ein Innerrhoder oder ein Ausserrhoder ist: Apero ist Appenzell, und der Säntis ist unser Berg, und Sie sind unsere Gäste, die sich bei uns wohl fühlen sollen.« Titus Annaheim hatte die ganze Nacht gegrübelt, was er sagen sollte zu Beginn, ob er überhaupt etwas sagen sollte, und jetzt war er erleichtert. Die Anwesenden klatschten, die Kanzlerin jedoch, zu der er direkt gesprochen hatte, war mit ihrem Handy beschäftigt.
    »Caspers, ich habe keine Verbindung, und das ist kein gutes Gefühl.« Sie schnipste mit den Fingern und befahl einem Personenschützer, Funkkontakt aufzunehmen mit der Talstation, wo mehrere BND- und BKA-Beamte die Lage überwachten. »Sie sollen sich kundig machen. Ich will wissen, wo Schwarzer steckt.«
    »Machen Sie sich keine Sorgen«, sagte Caspers. »Schwarzer ist ein eigenwilliger Typ, er wird seine Gründe haben, dass er nicht mitgefahren ist.«
    »Klingt wie Volksmusik«, sagte die Kanzlerin leise zu Kranich, als die Band ihr erstes Stück angestimmt hatte, Töne, die eine Lockerheit simulierten, die in der Kabine noch nicht zu spüren war. Alle hatten wenig geschlafen, es war kühl, und zu sehen war auch noch nicht viel.
    »In zehn Minuten geht die Sonne auf«, sagte ein Schweizer Sicherheitsbeamter, der so langsam sprach, dass, hätte er den Satz wiederholt, die Sonne vermutlich schon fast wieder untergegangen wäre.
    »Diese Schweizer«, sagte die Kanzlerin, und Kranich wusste, dass er jetzt eigentlich etwas sagen sollte. Aber es fiel ihm nichtsein beziehungsweise spontan nur »und diese Deutschen«, aber das sagte er nicht, und also liess die Kanzlerin ihn stehen und ging zum Buffet.
    Ihre Ohren waren zu. Sie drückte die Nase zu, pumpte Luft hinein und hörte den Rest der Frage: »… oder möchten Sie lieber ein Glas Prosecco?«
    »Vor allem wünschte ich mir, dass dieser Hubschrauber etwas Abstand zu unserer Seilbahn hält, die Schweizer Armee verdeckt mir die Sicht.«

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