Die Kanzlerin - Roman
Wetter. Saharaluft, die Hitze bleibt.
Loderer überlegte nur kurz, dann klickte er auf Cookie & Co. Das Schachbrett war verschwunden. Die Seite war schwarz mit einem weissen Fensterchen in der Mitte. »Info für den Controller.« Loderer zögerte, fuhr mit dem Mauszeiger über das Fenster, ging zur Toilette, holte sich einen Kaffee, grüsste Janz, der immer beim Automaten stand, so neutral, dass er in nichts verwickelt wurde, und setzte sich wieder an den Computer. Der Mauszeiger zeigte ins Schwarze. Aber er war aufgefordert, ins Weisse zu treffen. Er drückte auf die linke Maustaste.
»Am 12. Mai 2008 grillten die ARD-Moderatorin Miriam Christmann und ihr Freund, der Tontechniker Timo Richter, auf der Terrasse. Bevor sie ins Bett gingen, stellten sie den Grill in die Wohnung. Sie glaubten, die Holzkohle sei bereits ausgekühlt. Eine tödliche Entscheidung. Welt Online schrieb: ›Die TV-Moderatorin Miriam Christmann ist bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen. Gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten TimoRichter (41) ist die 41 Jahre alte Journalistin, die unter anderem das ARD Buffet moderierte, im Schlaf erstickt. Das Paar hatte den Grill in die Wohnung gestellt, nachdem es ihn auf der Terrasse benutzt hatte. Offensichtlich dachten sie, die Holzkohle sei bereits verglüht. Tatsächlich aber setzte die Kohle Kohlenmonoxid frei. Das Paar wurde im Schlaf vergiftet. Gefunden wurden die beiden, weil sich Kollegen Sorgen machten. Beide waren nicht zur Arbeit erschienen. Die Polizeibeamten fanden das Paar im Schlafzimmer – tot.‹«
Anmerkung von Cookie: »Als der Pathologe die Leichen untersuchte, bestätigte sich die Todesursache schon nach dem ersten Augenschein. Die Schleimhäute der Toten waren rosarot. Und die Totenflecke zeigten eine hellrote Färbung. Nur durch glückliche Umstände überlebten die Beamten. Weil die Wohnungstür nicht verschlossen war, klingelten sie nicht, und weil im Schlafzimmer die Vorhänge nicht zugezogen waren, drückten sie nicht auf den Lichtschalter. Sonst hätten sie sich in die Luft gesprengt. Generelle Infos unter toxizität.de. PS: Grüsse von Silikon-Susi. Sie mag dich. Cookie.«
Loderer kannte die Geschichte, die nur für geringes Aufsehen gesorgt hatte. Die tote Moderatorin kannte er aber nicht, ihren Lebenspartner auch nicht, aber Janz, den kannte er, und dem waren auch dubiose Spielchen zuzutrauen. Loderer spürte, wie ihm ungute Gedanken kamen, und schaute aus dem Fenster. Schiffe auf der Spree, abgefüllt mit Touristen, die kurz vor dem Berliner Ensemble per Lautsprecher darüber aufgeklärt wurden, dass Berlin mehr Brücken als Venedig hat, dann rezitierte der Reiseführer ein kurzes Brecht-Gedicht, und eine besoffene englische Touristin brüllte auf Deutsch: »Und der Haifisch, der hat Zähne.«
B ossdorf stand im Blumenladen und schaute sich um. Er hasste Blumen, und vielleicht hasste sie Blumen ebenfalls. Sie hatten nie darüber geredet. Aber wenn er sie besuchte, dann brachte er Blumen mit. Der Geruch widerte ihn an.
»Blumen«, sagte Bossdorf. Dass Redenschreiber im täglichen Leben eher wortkarg sind, das war nicht ungewöhnlich. Aber Bossdorf wollte hier raus, möglichst schnell.
»Wir haben viele Blumen hier«, sagte die Verkäuferin etwas verwundert.
»Machen Sie mir einen Strauss«, sagte Bossdorf.
»Vielleicht Lilien?«
Die hatte er ihr beim letzten Mal mitgebracht. »Nein, Rosen«, sagte er, weil ihm spontan kein anderer Blumenname einfiel. »Fünf Stück«, ergänzte er und reagierte aufgebracht, als die Verkäuferin ihm mehrere Sorten zur Auswahl anbot. »Egal, nur keine roten.«
»Weiss, wäre das in Ihrem Sinn?«
Er kaufte fünf weisse, ohne Grünzeug drum rum, und atmete auf, als er das Geschäft endlich verlassen konnte.
Bossdorf war wütend. Unglaublich wütend. Und er wusste nicht genau, warum. Mit jedem Schritt steigerte sich seine Wut noch, und mit immer wütenderen Schritten trieb er die Passanten vor sich her, die nicht ausweichen wollten. Die Verkäuferin hatte ihn überredet und die Blumen verpackt. Das wollte er nicht. Blümchenpapier auf Blumen, das war lächerlich. Bossdorf riss die Verpackung auf und streckte den Arm in die Höhe. Seht her, Leute, ich bin der Blumenmann! Aber dann streifte ihn eine Duftmarke. Der Gestank der Rosen war unerträglich. Vier Rosen, das genügt auch, dachte er und köpfte eine. Aber vier geht nicht, sagt man. Weil man Blumen angeblich nur in ungeraden Zahlen verschenkt. So war das, auch wenn er
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