Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman
gegeben.
„Solange ich keinen Job habe, muss er nicht nur für die Kinder, sondern auch für mich Unterhalt zahlen. Andererseits, wer will schon von einem Arsch mit Ohren abhängig sein? Ich nicht. Ich will auf eigenen Füßen stehen und suche mir einen Job als Coach für Kommunikation. Vorher muss ich natürlich noch eine Fortbildung machen.“
Oje, dachte Verena. Vor ihren Augen erschienen Bilder ihrer zu Tode betrübten Freundin, nachdem sie letztes Jahr trotz ihrer Teilnahme an einem monatelangen Wiedereingliederungskurs für Frauen keinen Job in der Werbebranche gefunden hatte. Dagmar hingegen war Feuer und Flamme. „Wo du hinschaust in diesem Land, überall gibt es Kommunikationsprobleme. Am Arbeitsplatz, in der Ehe, in den Schulen.“
Verena befürchtete, dass auch dieses Mal dem Hochgefühl der unweigerliche Absturz folgen würde. Niemand wartete auf eine Frau von Anfang vierzig, die seit fünfzehn Jahren nicht mehr im Berufsleben stand. „Warum versuchst du es nicht in deinem gelernten Beruf?“
Ihr Vorschlag fiel auf Ungnade. „Bist du bescheuert! Ich denke nicht daran. Ich will was Neues machen. Aber ich sehe, du hast zu tun. Lass uns am Wochenende darüber reden. Wollt ihr am Samstagabend nicht zu mir kommen? Ich habe vorhin den ersten Spargel gesehen.“ Verena sagte zu, obwohl ihr allein beim Gedanken an Spargel schlecht wurde.
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H ANNOVER , K IRCHRODE
Das Wetter konnte sich mal wieder nicht entscheiden, ob es regnen sollte oder nicht. Graue, tief hängende Wolken verhießen nichts Gutes, doch noch war es trocken.
Wagner radelte durch die Eilenriede, um sich mit Bianca Fröhlich zu treffen. Auch wenn er sich als Regierungssprecher manches Mal über die vorlaute Journalistin geärgert hatte, war es sicherlich eine gute Idee, sich mit jemandem außerhalb des Politikbetriebs über seine Befürchtungen auszutauschen, und Bianca Fröhlich stand mit beiden Beinen auf der Erde. Hinzu kam, dass sein Freund Max große Stücke auf seine Mitarbeiterin gehalten hatte. Sie hatten sich in dem unweit des Verlagshauses der Allgemeinen Niedersachsenzeitung gelegenen Café am Bünteweg verabredet. Dort konnte er zumindest sicher sein, auf keinen seiner Landtagskollegen zu treffen. Und das Radfahren war heute längst nicht so anstrengend wie bei seiner ersten Tour vor drei Tagen. Sie hatte ihm die unangenehmste Mittagspause seines Lebens beschert. Als er am Ende seiner Kräfte mit einem Puls, vermutlich weit über 200, und einem Hinterteil, das wie Feuer brannte, nach fast zwei Stunden Fahrt bei gefühltem Orkan den Landtag endlich wieder erreicht hatte, hätte er sein neues Fahrrad am liebsten in die Leine geworfen und seinen Arzt gleich hinterher. Während der anschließenden Fraktionssitzung wäre er um ein Haar eingeschlafen. Kollege Stutz hatte ihn gerade noch rechtzeitig angetippt, um Schlimmeres zu verhindern.
Die Journalistin wartete schon auf ihn. Sie hatte sich in die hintere Ecke des Cafés gesetzt. Um diese Tageszeit war nicht viel los, neben ihnen war ein älterer Herr, der in die Tageszeitung vertieft war, der einzige Gast. Bianca hatte zugenommen. Auch ihre Haarfarbe war neu, irgendwie heller. Beides stand ihr gut. Ob sie immer noch mit dem unsympathischen Kollegen vom Niedersachsenfernsehen zusammen war? Nach kurzer formloser Begrüßung erkundigte sich Wagner, ob sie etwas von ihrem früheren Chef gehört hatte.
„Wir erhalten ab und an eine Postkarte von ihm, mehr nicht. Ich dachte … Sie waren doch befreundet, nicht?“ Ein neugieriger Blick traf ihn.
Wagner nickte. „Gut sogar. Seitdem er allerdings damals in dieser Nacht-und-Nebel-Aktion verschwunden ist, haben wir jedoch nur noch sporadisch Kontakt. Leider! An mir liegt es nicht. Ich habe mehrfach vorgeschlagen, ihn in Marbella zu besuchen. Er hatte jedes Mal Ausflüchte parat. Ich weiß bis heute nicht, was damals eigentlich los war. Außer, dass er bedroht wurde. Jedes Mal, wenn ich auf das Thema zu sprechen komme, ist bei seinem Handy der Akku leer oder er hat es plötzlich eilig. Es ist wirklich schade, wir waren sehr gute Freunde.“
Die Journalistin hörte ihm aufmerksam zu. Sie hat schöne Augen, dachte Wagner und wich ihrem intensiven Blick aus. Ob die langen schwarzen Wimpern echt waren? Die Wimpern seiner Ex waren es nicht, aber bei Monika war fast alles falsch, nicht nur äußerlich. Mit einer energischen Bewegung strich sie eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Wir von der Redaktion haben uns natürlich auch Gedanken
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