Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
Unerträglich vollkommen – so hatte ihn sein Prior in Ferrara genannt. Er ertrug es nicht, denn ich hatte meinen Stolz abgelegt, als ich mich in San Marco vor Gott demütigte.
Mein Lächeln irritierte ihn, und er packte mich am Ärmel, um sich, wenn schon nicht durch Worte, so doch wenigstens durch Taten Gehorsam zu verschaffen. »Ein Frater wird bei Giovanni Wache halten, und sobald er die Augen öffnet, wird er uns Bescheid sagen. Und jetzt komm, du … du Heiliger! «
Zwei Tage später kehrte Giovanni ins Leben zurück. Es war kurz vor Mittag – ich hatte seit Mitternacht Wache gehalten, und Girolamo wollte mich nach der Siesta ablösen, damit ich ein paar Stunden schlafen konnte. Ich saß an Giovannis Bett und betete, als er zum ersten Mal die Augen aufschlug.
Ich war so vertieft in meine eigenen Gedanken, dass ich es erst gar nicht bemerkte. Erst als er sich bewegte und mich, den Frater neben seinem Bett, mit heiserer Stimme um einen Schluck Wasser bat, sprang ich auf.
»Giovanni!«, flüsterte ich bewegt. »Gott hat mich erhört!«
Er starrte mich an, erkannte mich erst nicht im Dominikanerhabit.
»Caterina?«, fragte er, als könnte er nicht glauben, was er sah. »Deine Haare … deine wunderschönen Locken …«
Ich ergriff seine Hand, die in mein kurzes Haar fassen wollte, und küsste sie unter Tränen.
»Du bist es wirklich«, seufzte er und zog mich zu sich herunter, um mich zu küssen.
Sein Kuss war nur ein Hauch von Sinnlichkeit. Aber er war ein Versprechen, nein, mehr – er war Hoffnung! Ich beugte mich über ihn und erwiderte seinen Kuss zärtlich, strich ihm liebevoll über das Haar und weinte hemmungslos, bis meine Tränen seine Wangen netzten.
Wir konnten nicht voneinander lassen, küssten uns die Tränen aus dem Gesicht, streichelten uns zärtlich und flüsterten, ich weiß nicht was. Noch nie zuvor waren wir uns so nahe gewesen! Nicht einmal in jener Heiligen Nacht, als wir uns einander mit Leib und Seele geschenkt hatten. Trotz seiner Schmerzen legte er seine Arme um meine Schultern und zog mich zu sich herunter, um mich zu küssen.
In diesem Augenblick wurde die Tür der Zelle aufgerissen, und jemand stürmte in den Raum. »Wo ist er …?«, hörte ich eine Stimme, die dann erschrocken verstummte.
Ich fuhr herum.
Gian Francesco Pico della Mirandola, der Conte von Concordia, Giovannis eingebildeter Neffe, stand mitten in der Zelle – hinter ihm Girolamo, der mich wütend anfunkelte, während er mit einem energischen Tritt die Tür hinter sich schloss. Zwei küssende Fratres mit erschreckend eindeutigen Absichten – kein Wunder, dass der Prior zornig war.
Ich trat einen Schritt zurück und verbarg mein Gesicht hinter der Kapuze meines Skapuliers, um die Freude auf meinen Lippen über Giovannis Rückkehr ins Leben, die Tränen der Rührung und das blanke Entsetzen in meinen Augen über Gian Francesco Picos unerwartetes Erscheinen in der Zelle hinter einer Schicht schwarzen Wollstoffs zu verbergen. Girolamo hatte ihn durch einen Boten über Giovannis lebensgefährlichen Zustand informiert – aber dass der Conte persönlich nach San Marco kommen könnte, hatten weder Girolamo noch ich erwartet.
Gian Francesco Pico rauschte an mir vorbei, ohne mich eines Blickes zu würdigen. Wie ein Geier auf die Beute stürzte er sich auf seinen Onkel: » Deo gratias: Ihr lebt! Ich war erschüttert, als ich die Botschaft des Priors las, und bin sofort aufgebrochen. Ich verspreche Euch, dass ich Euch hier herausholen werde. Im Castello von Mirandola, in einem vom Kaminfeuer geheizten Schlafzimmer, in einem weichen Bett, bei herrlichem Essen und einem guten Tropfen Montepulciano werdet Ihr Euch bald erholen«, versprach er Giovanni. »Mit einer ebenso hingebungsvollen Pflege«, stichelte er in meine Richtung.
»Euer Gnaden«, begann Savonarola. »Ich halte es für gefährlich, Signor Pico nach Mirandola zu bringen. Er ist zu schwach für die lange Reise und …«
»Unsinn, Prior«, unterbrach ihn der Conte mit befehlsgewohnter Stimme. »Vielleicht ist er zu schwach, sich gegen aufdringliche Fratres an seinem Bett zu wehren …« Sein Blick funkelte in meine Richtung. »… aber es ist besser, wenn er nach Hause in das Castello Pico kommt. Dort werde ich für ihn sorgen.«
Ja, dachte ich, ganz sicher wirst du das! Du wirst Giovanni hingebungsvoll pflegen, damit er dir auch noch den Rest seines Vermögens überschreibt, bevor es an seinen Freund Girolamo fällt. Und während Giovanni im
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