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Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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die heiligen Handlungen und gefährdet das Ergebnis.«
    »Das wusste ich nicht …«, stotterte ich.
    »Aber ich wusste es, Caterina, und das macht das Ganze umso schlimmer«, seufzte er. » Amor perfectissimus – die vollkommene Liebe, so nennen wir Eingeweihten die außerordentliche Hingabe, die notwendig ist, um das Große Werk zu vollbringen. Ich habe die Beherrschung verloren. Es beunruhigt mich, weil mir das noch nie zuvor passiert ist. Und es macht mir panische Angst, weil es während des Opus zu keiner Zeit geschehen darf.«
    Ich wagte es nicht, ihn zu berühren, als ich mich über ihn beugte, um in seine Augen zu sehen. »Warum nicht?«
    »Weil der Alchemist die Kontrolle über die brennende Materie im Alambic verliert, wenn er nicht einmal sich selbst beherrschen kann. Und weißt du, was geschieht, wenn sich die unkontrollierte Materie auf Temperaturen erhitzt, die höher liegen als die des sie umfangenden Glaskolbens, der nicht mehr durch den Willen des Adepten zusammengehalten wird?«
    »Ich kann es mir vorstellen«, versicherte ich ihm.
    Es fühlt sich so an wie gerade jetzt in meinem Inneren, dachte ich: wogende Gedanken, die Hitze der Scham, Wut über meine Unbeherrschtheit und der Zorn des Nichtwissens und des Nichtahnenkönnens, dazwischen Enttäuschung und Traurigkeit. Eine explosive Mischung!
    »Giovanni, ich kann dir nicht versprechen, dass ich aufhören werde, dich zu lieben. So weit geht meine Selbstbeherrschung nicht. Du bist der Maestro: Ich werde tun, was du willst. Alles! Und ich werde gehen, wenn du mich darum bittest. Jederzeit!«, versprach ich ihm. »Aber nicht heute Nacht.«
    Giovanni sah mich schweigend an, schien zu überlegen. Woran dachte er? Wie viel von dieser Vollmondnacht noch für das Entzünden des Athanors übrig war? Wie gern er seine Thesen mit mir diskutieren würde? Er litt, ich sah es ihm an. Seine Finger zitterten. Wie gern hätte er mich berührt! Seine Lippen waren halb geöffnet, wie zum Kuss, doch dann schloss er sie.
    Ohne ein Wort zu sagen, erhob er sich, griff nach dem schwarzen Talar, der auf dem Teppich vor dem Bett lag, und begann sich anzukleiden. Noch während er die Silberknöpfe schloss, ging er zu einer Truhe und zog einen weiteren purpurfarbenen Talar hervor, den er neben mich auf das Bett legte. Es war ein hochgeschlossenes, bodenlanges Gewand aus einem schweren Material, das an Atlasseide erinnerte, mit einem Skapulier und Kapuze, der einem Dominikanerhabit ähnlich war.
    »Zieh es an!«, befahl mir Giovanni. »Ich habe dieses Gewand getragen, als mein Maestro mich vor Jahren in die Geheimnisse der Alchemie einführte. Es besteht aus Asbestos, einem unbrennbaren Stoff aus China. Es wird dich gegen das Feuer schützen.«
    Und gegen die Versuchung, dachte ich, als ich den Talar anzog und mich im Spiegel betrachtete. Die weite Robe verhüllte meine weiblichen Formen, das Skapulier ließ meine Schultern breiter erscheinen, und wenn ich die weite Kapuze überzog, verschwand mein Gesicht im Schatten. Die perfekte Transformation! Wer nicht genau hinsah, konnte mich für einen Kardinal in einer purpurroten Soutane halten.
    Giovanni war schon an der Tür, als ich ihn fragte: »Wer war der Adept, der dich eingeweiht hat?«
    »Maestro Leonardo«, sagte er. »Leonardo da Vinci.«

    »Aus der Einheit bist du in die Welt gekommen, in die Einheit wirst du zurückkehren. Dein Verstand sucht den Weg und wird ihn finden. Dein Herz wird dich führen.« Mit diesen geheimnisvollen Worten nahm Giovanni mich als seine Schülerin in die Gilde der Alchemisten auf.
    Dann kramte er aus einer Truhe in seinem Laboratorium ein Buch hervor, ein in Leder gebundenes Notizbuch, wie Bernardus Trevisanus es benutzt hatte. »Schreib alles auf, was dir wissenswert erscheint, Caterina«, riet er mir. »Verwende eine Sprache, die niemand außer dir versteht, oder eine Schrift, die nur du lesen kannst. Schau mich nicht so erstaunt an! Es ist zu deiner eigenen Sicherheit. Deine Notizen sind wertlos für jeden, der sie nicht lesen kann. Deshalb schreibe ich meine Erkenntnisse in Symbolen nieder und Leonardo da Vinci in Spiegelschrift …«
    Von Giovanni erfuhr ich, dass das Geheimnis der Herstellung von Schießpulver aus Salpeter, Holzkohle und Schwefel schon seit Jahrhunderten in Europa bekannt war und gar nicht aus China stammte. Die Alchemisten hätten es jedoch geheim gehalten, aus Angst, jemand könnte das explosive Pulver benutzen, um Menschen zu töten. Der englische Alchemist, der 1326

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