Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)
für ein Gerücht, das willentlich in Umlauf gebracht wurde, um Kardinal Borgia zu schaden. Er selbst trug diese Verleumdungen mit Fassung, als ich ihn heute Früh in seinem Arbeitszimmer traf. Kardinal Borgia lässt Euch durch mich seine herzlichen Grüße übermitteln: Er glaube keinem der Gerüchte! Schon gar nicht denen, die Euch betreffen.«
Im Audienzsaal herrschte atemlose Stille, als Lorenzo weiterlas:
»Johannes Burkhard scheint neben dem Vizekanzler Borgia der Einzige im Vatikan zu sein, der seinen klaren Verstand nicht verloren hat. Monsignor Burkhard hat eine Untersuchung des Attentates angeordnet. Die Ergebnisse hat er mir vor einer Stunde in einem geheimen Gespräch in meinem Arbeitszimmer im Kontor mitgeteilt. Er kam eigens her, um vertraulich mit mir zu sprechen.
Eine Analyse des verstreuten Pulvers auf dem Nachttisch und in der Glaskaraffe neben dem Bett des Papstes durch den Medicus Seiner Heiligkeit ergab, dass es sich um Cantarella handelt, ein tödliches Gift, dessen Symptome denen der Cholera ähneln. Und diese Cantarella ist nach einem Rezept hergestellt worden, das gemäß dem Handbuch der florentinischen Apothekerzunft nur in Florenz in dieser Weise angemischt wird. Der Verdacht liegt also nahe, dass die Gerüchte der Wahrheit entsprechen: Ein Florentiner hat versucht, Papst Innozenz umzubringen.
Aber nicht irgendein Bankier oder Kaufmann aus Florenz, sondern der Florentiner, der am meisten vom Tod Seiner Heiligkeit profitieren wird, weil er noch vor dem nächsten Konklave das angestrebte Bündnis mit Ludovico il Moro in Mailand eingehen könnte, um das bröckelige Fundament seiner Macht in Florenz zu stärken. Der Florentiner, der seinen Sohn als Kardinal ins Konklave schickt, um einen ihm genehmen Papst zu wählen. Der Florentiner, der sich in seinem Größenwahn, ohne einen offiziellen Titel und ohne irgendeine Rechtfertigung seiner Macht durch das Volk von Florenz, Il Magnifico nennt.«
Kapitel 6
»Habemus Papam!«
L orenzo ließ den Brief sinken und sah mich scharf an.
Ich wich seinem Blick aus. Lorenzo weiß, dass ich schwanger war, dachte ich beunruhigt. Was weiß Lorenzo von der Cantarella in meinem Schreibtisch? Ahnt er, dass Cesare …
»Ganz offensichtlich sollte der Eindruck erweckt werden, ich hätte Papst Innozenz ermorden wollen«, sagte Lorenzo und wandte endlich seinen Blick von mir ab. »Ich glaube sogar, dass meine Diffamierung das erste Ziel des Attentäters gewesen war, und nur das zweite, Seine Heiligkeit aus dem Weg zu schaffen.«
»Aus dem Weg wohin ?«, fragte Gianni.
»Zu den Stufen, die zum Thron Petri führen«, erklärte sein Vater.
»Was wirst du tun, Lorenzo?«, fragte Piero ernst.
»Was glaubst du, was ich tun kann ?«
»Nach Rom reiten!«, forderte Piero hitzig. »Du musst mit Innozenz sprechen, ihm versichern, dass du unschuldig bist …«
»Nein, Piero!« Lorenzo zerschnitt die Argumente seines Sohnes mit einer Handbewegung wie ein Schwerthieb. »Ich kann einen weiteren Mordversuch an Innozenz nicht verhindern. Ich kann dem Mörder kein besseres Alibi liefern, als selbst nach Rom zu reisen, nachdem das erste Attentat gescheitert ist. Innozenz wird mir sicherlich die Audienz nicht verweigern. Er wird mich anhören. Er wird mir sogar glauben. Und sobald der abendliche Empfang im Palazzo Apostolico beendet ist, wird sich Seine Heiligkeit in seine Räume zurückziehen. Am nächsten Morgen wird man ihn tot in seinem Bett finden. Und außerdem kann ich mich selbst im Vatikan nicht vor einem Anschlag schützen.«
»Dann werde ich nach Rom reiten«, schlug Piero vor.
»Nein, Piero!«, übertönte ihn Lorenzo. »Du wirst mich in die Villa in Careggi begleiten. Falls es in Florenz zu Unruhen kommt, sind wir dort sicher.«
»In zwei Wochen sind Wahlen«, erinnerte der besonnene Giuliano seinen Vater. »Wenn die Florentiner in deiner Abwesenheit einen Bannerträger wählen, der dir, dem Tyrannen, unter dem Einfluss von Savonarola die Rückkehr nach Florenz verweigert …«
Giulio wollte noch etwas zur Verteidigung von Fra Girolamo sagen, aber Lorenzo schnitt ihm das Wort ab.
»Savonarola wird Ruhe halten. Er ist ein vernünftiger Mann. Ich werde mit ihm reden«, versprach Lorenzo uns allen. Dann wandte er sich an Giulio: »Du wirst den Prior davon in Kenntnis setzen, dass ich mich mit ihm treffen will. Er soll einen Ort vorschlagen: den Garten von San Marco, das Kloster oder einen anderen Ort seiner Wahl. Ich werde zu ihm kommen, wenn er das
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