Die Karriere-Bibel
erscheinen und es auch sein.«
Dass sich die gute Tat auszahlt, ist wissenschaftlich verbürgt. Der Fachbegriff dafür ist der
reziproke Altruismus
(Wie du mir, so ich dir). Der US-Ökonom Vernon Smith löste die Frage in den Sechzigerjahren spieltheoretisch und erhielt dafür
2002 den Wirtschaftsnobelpreis: Bei seinem Versuch konnten die Probanden Geld in eine Gemeinschaftskasse einzahlen und so
vermehren, der Gewinn wurde anschließend an alle zu gleichen Teilen ausgezahlt. Allerdings hatten die Teilnehmer die Wahl
zwischen zwei Strategien: kooperieren und einzahlen oder nicht einzahlen und trotzdem profitieren. Das Experiment zeigte:
Spielten alle mit, erzielten sie den höchsten Gewinn. Den höchsten Einzelprofit aber gab’s für egoistisches Schmarotzen. Was
passierte? Zu Beginn spielten vier Fünftel fair, der Rest kassierte mit. Die Ehrlichen waren die Dummen und verhielten sich
schon bald eigennützig. Effekt: Der Profit schmolz mit jeder Runde |397| und erreichte zum Schluss seinen Tiefststand. Wie die Stimmung. Erst als die Mitspieler Trittbrettfahrer bestrafen konnten,
verbesserte sich das Ergebnis. Die Sanktionen sorgten also für das Gemeinwohl. Der Effekt ist heute vergleichbar mit dem Händler-Feedback
im Online-Auktionshaus eBay: Nur wer fair ist und entsprechend beleumundet wird, macht weiterhin gute Geschäfte.
Die Erkenntnisse der beiden Smiths sind ein Plädoyer für Zivilcourage und Opportunität: Der Mensch ist von Natur aus schlecht.
Wo er kann, schmarotzt er sich durch. Das ist schlecht für alle. Sobald man das aber entsprechend sanktioniert, entwickelt
er zahllose Tugenden, wird anständig, bisweilen sogar selbstlos. Die unsichtbare Hand, sie wirkt vor allem als unsichtbare
Ohrfeige. Schmerzloser lebt indes, wer die Lektion schon vorher verinnerlicht.
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22. November
Recht schaffen – Die dunkle Seite der Rhetorik
Jeder Mensch manipuliert. Ständig. Wie er sich gibt, was er sagt, wann er was sagt – das alles dient einem Zweck: das zu bekommen,
was man will. Wer etwas anderes behauptet, manipuliert schon wieder! Manipulieren gehört zum Miteinander, Soziologen sprechen
deshalb auch von einer Sozialtechnik. Die ist uralt und unter ihrem Alias weitaus unverdächtiger: Rhetorik. Als Lehre von
der Kunst der wirkungsvollen Rede, um andere durch Eloquenz und dosierte Argumente zu überreden, genießt sie seit mehr als
2500 Jahren hohes Ansehen – und hat eine heimliche Stiefschwester: die Eristik. Diese Kunst des Streitens bedient sich gleich
eines ganzen Arsenals manipulativer Techniken, wie lügen, drohen, ignorieren, ausweichen, ablenken, herunterspielen, erpressen,
schmeicheln, denunzieren, desinformieren … Mal sollen diese Werkzeuge verschleiern, mal verteidigen, mal den Gegner in die
Enge treiben. Schon die antike Stadt Karthago fiel einer solchen Manipulation zum Opfer: Jedes Mal, wenn Cato der Ältere vor
dem römischen Senat sprach, schloss er seine Rede mit dem Satz: »Und im Übrigen bin ich der Überzeugung, dass Karthago zerstört
werden muss.« Irgendwann wurde der rhetorische Kniff Realität – man muss es den |398| Leuten eben nur oft genug einbimsen. Viele dieser seelischen Folterwerkzeuge sind Ihnen sicher bekannt, nur vielleicht nicht
so bewusst:
Absichtlich Fehlschlüsse provozieren! Wenn Gott allmächtig wäre, dann könnte er einen Stein schaffen, der so schwer ist, dass er ihn nicht mehr heben kann. Also kann Gott nicht allmächtig sein.
Achtung: Dies ist kein Argument, sondern ein unlösbares Paradoxon, das die Unmöglichkeit der Allmacht suggeriert. Dabei zeigt
es nur, dass diese mit Logik nicht zu fassen ist.
Einen Sündenbock konstruieren! Hier wird nicht auf das Argument des anderen eingegangen, sondern seine Glaubwürdigkeit infrage gestellt. Weil sich derjenige
schon früher irrte, darf man ihm auch jetzt keinen Glauben schenken. Der Ruf ersetzt die Relevanz einer Schlussfolgerung.
Wertende Wörter verwenden! Die Wortwahl entscheidet darüber, wie die Dinge von anderen gesehen werden. Haben die Anschläge
Terroristen
oder
Freiheitskämpfer
verübt? Müssen Sie für Ihren Chef ein
Problem
lösen oder eine
Aufgabe
? Und sind dies nun eristische
Techniken
oder
Folterwerkzeuge
?
Allerdings war selbst dem bekanntesten Verfasser einer Anleitung zur eristischen Dialektik (»Die Kunst, recht zu behalten«)
diese nicht geheuer. Arthur Schopenhauer verfasste zwar 38 Kunstgriffe, um in Debatten das
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