Die Karriere-Bibel
letzte Punkt bedeutet, dass beide Seiten die spätere Entscheidung als fair und neutral akzeptieren. Sie kennen dazu vielleicht
das Standardbeispiel: Zwei Kinder sollen einen Kuchen teilen. Gerecht und neutral wäre: Ein Kind teilt den Kuchen, das andere
darf sein Stück zuerst wählen. Der Kern der Harvard-Strategie aber sind die beiden ersten Punkte. Sie sorgen dafür, dass jede
Verhandlung sachlich bleibt. Nur Verhandlungslaien feilschen und werden persönlich. Ein Beispiel: Ein Mitarbeiter will 500
Euro mehr Gehalt im Monat, der Chef aber nur maximal 100 Euro drauflegen. Beide Seiten steigen mit einer Extremposition ein
und einigen sich allenfalls auf einen Kompromiss. Dabei müssen sie ihre erste Position begründen und verteidigen und die Gegenposition
angreifen und schwächen. Effekt: Beide verlieren Zeit, Kraft und spätestens beim Kompromiss ihr Gesicht – selbst dann, wenn
der Kompromiss von vorneherein durch eine völlig überzogene Zahl eingepreist wurde. Solche Forderungen sind Positionen. Mit
ihnen sollte man nie in Verhandlungen einsteigen. Erfolgreicher verhandelt, wer die stillen Beweggründe seines Gegenübers
erkennt und diese zum Gegenstand der Gespräche macht: psychologisch, weil er so signalisiert, dass er den anderen ernst nimmt.
Taktisch, weil er sich mit seiner anderen löst.
Die Harvard-Methode hat allerdings Grenzen, denn sie setzt voraus, was selten der Fall ist: Beide Seiten verfügen über dieselben
Informationen und meinen es gut miteinander. Tatsächlich herrscht aber oft das, was die Wissenschaft
asymmetrische Information
nennt: Die eine Seite weiß mehr als die andere und nutzt das aus. Die Folge: Kein Win-Win, sondern einer gewinnt und einer
verliert. Für Sie heißt das: Das beste Ergebnis erzielen Sie, wenn Sie die Harvard- |404| Methode beherrschen und (!) sich einen Informationsvorsprung verschaffen.
Mehr dazu: Roger Fisher, Wiliam Ury, Bruce Patton, Das Harvard-Konzept. Sachgerecht verhandeln – erfolgreich verhandeln. Campus
2000
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28. November
Es kann nur einen geben! – Win-Win ist ein Mythos
Erinnern Sie sich noch an die gestrige Lektion? Um es ganz deutlich zu machen: Auch wenn es in der Werbung und auf Strategiepapieren
gut klingt – Win-Win ist eine Mogelpackung. Ein Verhandlungsergebnis, das beide Seiten zu Gewinnern macht und das Glück verdoppelt,
gibt es nur in der Theorie. Ein Beispiel aus dem Gebrauchtwagenkauf verdeutlicht den Irrtum: Herr A will seinen alten Audi
für 5000 Euro verkaufen. Herr B hört von dem Angebot. Und tatsächlich: Er sucht genau dieses Fahrzeug, und sein Maximalpreis
sind 5000 Euro. Beide treffen sich und werden sich sofort einig, 5000 Euro und Audi wechseln die Besitzer. Eine Win-Win-Lösung.
Herr A und Herr B haben exakt, was sie wollten … Tatsächlich? Herr A wird sich am Abend in den Hintern beißen: »Das ging viel
zu schnell«, wird er denken. »Sicher hätte ich mehr für die Kiste rausholen können!« Herr B wiederum fährt nach Hause und
erzählt seiner Frau von dem Schnäppchen. Sie wird ihn fragen: »Was wollte denn der andere dafür haben?« Herr B strahlt: »Genau
5000 Euro! Und er hat bekommen, was er wollte.« Dreimal dürfen Sie raten, was Frau B sich nun fragt, ob sie am Traualtar damals
auch bekommen hat, was sie wollte …
Win-Win ist eine Illusion. Beide hätten sich wesentlich besser gefühlt, wenn Herr B nur 4900 Euro für den Audi bezahlt hätte
– obwohl er dann genau genommen der einzige Gewinner der Verhandlung gewesen wäre. Herr A hätte den Spieß aber auch rumdrehen
können und sagen, dass er den Wagen nur für 5000 Euro verkauft, dafür aber noch den alten Satz Winterreifen dazulegt (den
er eh nicht mehr braucht). Herr A hätte seine 5000 Euro und Herr B bliebe gegenüber Frau B ein Held, der sogar noch einen
Satz Reifen raushandeln |405| konnte. Der Trick bei Verhandlungen ist, Zugeständnisse nur dann zu machen, wenn man dafür gleichzeitig etwas bekommt:
Gib niemals, ohne zu nehmen
!, lautet die erste Maxime aller Verhandlungsprofis. Nur so behält das eigene Angebot seinen Wert. Wer dabei besser blufft,
hat am Ende nichts hergegeben – aber der andere das Gefühl, ein Gewinner zu sein.
Was das mit dem Job zu tun hat? Eine ganze Menge! Denken Sie an Ihre Verhandlungen mit Kunden oder Lieferanten oder Gehaltsgespräche
mit dem Chef. Selbst wenn Sie von einem Kollegen eine vertrauliche Information benötigen, verhandeln Sie.
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