Die Karriere-Bibel
TV-Inspektor im ewig schmuddelnden Trenchcoat? Seine Haare zerzaust, die Kleidung zerknittert,
der Habitus unterwürfig, bewundernd, zerstreut – das ist seine Masche, wenn er im Milieu der Schönen und Reichen auf Verbrecherjagd
geht. Er legt es darauf an, unterschätzt zu werden. Denn seine Gegner sind alles andere als Dummköpfe. Sie sind hochintelligent,
beruflich über die Maßen erfolgreich, sie genießen in der Gesellschaft hohes Ansehen und haben meist ein wasserdichtes Alibi.
Damit sind sie praktisch unangreifbar und darauf enorm stolz. Es sind Narzissten, wie man sie ebenso zahlreich im Management
findet.
Und dieser Stolz ist ihre Schwäche. Columbo verstärkt ihre Überheblichkeit bewusst. Er lobt und bewundert sie; er bittet sie
um Rat und lässt sich von ihnen demütigen, unwidersprochen. Er mimt für sie den Tollpatsch, indem er etwa in seinen Manteltaschen
nach einer zerknüllten Notiz sucht oder sich an den Kopf fasst und einen Gedankenblitz vortäuscht. All das sind Gesten, die
Unterwürfigkeit |393| dokumentieren und den anderen in Sicherheit wiegen:
Sieh her, ich
bin kein ebenbürtiger Gegner, von mir droht keine Gefahr …
Denkste! Was wirklich passiert, bleibt arroganten Menschen verborgen. Kaum jemand ist leichter zu manipulieren als ein Narziss.
Wer einen Sonnenkönig und eitlen Tyrannen zum Chef hat, kann mit Columbos Masche perfekt (schau)spielen und punkten. Es hat
keinen Zweck, solche Menschen offen zu kritisieren oder zu bekriegen. Im Zweifel ziehen sie ihren hierarchischen Trumpf. Warum
diesen Menschen nicht geben, was sie brauchen? Spielen Sie gegenüber solchen Herrschern nicht den Experten, der weiß, wo es
langgeht. Seien Sie ein bewundernder Schüler! Unterschätzt zu werden, öffnet zahlreiche Optionen – bei Verhandlungen genauso
wie bei Ränkespielen. Machen Sie sich klein, stellen Sie Fragen, geben Sie nur gezielt Informationen weiter und bringen Sie
Ihren Chef dazu, das Gegenteil von dem zu verlangen, was er ursprünglich von Ihnen wollte. Er wird mit Freuden nach Ihrer
Nase tanzen, solange er den Eindruck behält, dass er den Taktstock dazu schwingt. Ab und an sollten Sie allerdings trotzdem
Ihre wahren Fähigkeiten aufflackern lassen, damit die Kollegen merken, dass Sie den Tollpatsch nur mimen. Das braucht Fingerspitzengefühl.
Sie wollen Ihren Chef und seine Höflinge ja nur verunsichern, ob sie sich in Ihnen nicht vielleicht getäuscht haben. Mehr
nicht. Sonst können Sie das Spiel vergessen: Ein Alpha-Tier, das merkt, dass es manipuliert wurde, kann sehr unangenehm werden!
[ Menü ]
19. November
Blende gut, alles gut – Die Kunst zu bluffen
Die Uniform eines Trödlers und ein paar zackige Bewegungen reichten für den Schuhmachersohn Wilhelm Voigt aus, um auf Beutezug
zu gehen. Erst überzeugte er zehn Mann der Schwimmschulwache vom Plötzensee von seinem Hauptmannsrang, dann stürmte er mit
ihnen das Rathaus von Köpenick, verhaftete den Bürgermeister, plünderte die Stadtkasse, wurde gefasst, verhaftet, verurteilt,
begnadigt, berühmt, ging auf Tournee und schließlich in die Geschichte ein. Zu einigem Wohlstand brachte er es ebenfalls.
Nicht schlecht |394| für einen ausgebufften Schusterjungen, der in Wahrheit ein Hochstapler war!
In der Moderne bestimmt der Schein das Sein, das So-tun-als-ob. Ein wenig heiße Luft, eine große Klappe, ein guter Bluff –
und der Erfolg ist einem nahezu sicher. Politiker, Manager, Bewerber – in der Arbeitswelt wimmelt es nur so von Aufschneidern,
Blendern und Possenreißern. Sie alle versuchen sich ins rechte Licht zu rücken sowie andere von ihrem angeblichen Wissen und
Können zu überzeugen. Denn wer sich gut vermarktet, hat morgen noch Arbeit und macht übermorgen vielleicht Karriere. So konnte
Fred Luthans, Management-Professor an der Universität von Nebraska, in den Achtzigerjahren nachweisen, dass
effektive
Manager im Sinne des Unternehmens zwar viel Zeit mit Papierarbeit und Kommunikation verbrachten;
erfolgreiche
Manager aber widmeten sich vor allem der Bekanntschaftspflege, hinterließen einen glänzenden Eindruck und nutzten diesen später
für ihren beruflichen Aufstieg. Mit Erfolg.
Unwahrheiten und Übertreibungen sind evolutionärer Alltag, bei dem die Tiere Homo sapiens in Sachen Hochstapelei kaum nachstehen.
Einige Schwebfliegen und auch Käfer sehen zum Beispiel Wespen zum Verwechseln ähnlich, um so Vögel oder Kröten, die bereits
echte Wespen
Weitere Kostenlose Bücher