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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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Pferde, damit er mit seiner Frau auf dem Corso della Montagnola glänzen konnte.
    Fabrizzio verabscheute es, einen Menschen unglücklich zu machen, selbst wenn er ihn noch so gering achtete. Marietta war sehr dagegen, daß er die Alte besuche, aber eines Tages, als er aus der Kirche kam, ging er zur Mammaccia hinauf, die bei seinem Anblick rot vor Wut wurde. ›Aha,‹ dachte Fabrizzio, ›hier muß ich den del Dongo spielen!‹
    »Wieviel verdient Marietta im Monat, wenn sie fest verpflichtet ist?« fragte er sie von oben herab wie ein junger Dandy, der im ersten Rang der Opera buffa in Paris von sich reden machen will.
    »Fünfzig Taler.«
    »Du lügst wie immer. Sprich die Wahrheit, oder, bei Gott, du kriegst keinen Soldo mehr!«
    »Nun, sie verdiente bei unserer Truppe in Parma zweiundzwanzig Taler, als wir das Unglück hatten, Ihre Bekanntschaft zu machen. Ich, ich hatte zwölf Taler Gage. Wir haben Giletti, unserem Beschützer, jede ein Drittel unseres Verdienstes abgegeben. Dagegen machte Giletti ungefähr alle Monate der Marietta ein Geschenk, das etwa zwei Taler wert war ...«
    »Du lügst immer noch. Du, du hast nur vier Taler bekommen! Wenn du aber nett mit Marietta sein willst, dann stelle ich dich an, als ob ich Impresario wäre. Du kriegst alle Monate zwölf Taler für dich und zweiundzwanzigfür sie. Sehe ich sie jedoch wieder mit rotgeweinten Augen, dann erkläre ich mich für bankrott.«
    »Sie spielen den Hochmütigen, jawohl, aber mit Ihrer schönen Großmut kommen wir auf den Hund!« antwortete die Alte mit wütender Miene. »Wir verlieren die Kundschaft. Wenn wir das Riesenpech hätten, den Beistand Eurer Exzellenz einzubüßen, wird keine Truppe mehr was von uns wissen wollen. Keine wird uns nehmen. Wir werden nirgends eine Anstellung kriegen und Ihretwegen Hunger leiden.«
    »Scher dich zum Teufel!« sagte Fabrizzio und wollte sie verlassen.
    »Ich werde nicht zum Teufel gehen, Sie abscheulicher Heide, sondern ganz einfach auf das Polizeiamt, wo man von mir erfahren soll, daß Sie ein Monsignore sind, der aus der Kutte gesprungen ist, und daß Sie ebensowenig Giuseppe Bossi heißen wie ich!«
    Fabrizzio war schon ein paar Stufen hinunter, da kehrte er wieder um.
    »Erstens weiß die Polizei meinen richtigen Namen besser als du. Aber wenn du dir einfallen läßt, mich anzuzeigen, wenn du diese Niedertracht begehst,« sagte er todernst, »dann wird Ludovico ein Wörtchen mit dir reden und dir den Dolch ins Gerippe stoßen, und nicht sechsmal, sondern ein dutzendmal, so daß du ein halbes Jahr lang im Spittel liegst, – und ohne einen Pfifferling!«
    Die Alte wurde bleich, stürzte auf Fabrizzios Hand zu und wollte sie küssen: »Ich nehme das Los mit Dank an, das Sie Marietta und mir bieten. Sie sehen so gutmütig aus, und da habe ich Sie für einen Toffel gehalten. Glauben Sie mir, jede andere wäre demselben Irrtum verfallen wie ich. Ich rate Ihnen, schauen Sie immer ein bißchen mehr wie ein großer Herr drein!« Und mit bewundernswürdiger Unverfrorenheit fuhr sie fort: »Vergessen Sie diesen guten Rat nie! Der Winter ist nicht mehr allzu fern. Machen Sie der Marietta und mir ein Geschenk: zwei gute Kleider von dem englischen Tuch, wie es derdicke Kaufmann da auf der Piazza di San Petronio zu verkaufen hat.«
    Die Liebe der hübschen Marietta gewährte Fabrizzio alle Reize der innigsten Freundschaft und eine Vorstellung von dem ähnlichen Glück, das er hätte bei der Duchezza finden können.
    ›Aber ist es nicht drollig,‹ sagte er sich zuweilen, ›daß ich jener grenzenlosen und leidenschaftlichen Befangenheit unfähig bin, die man die Liebe nennt? Bin ich je bei den Liebeleien, in die mich der Zufall in Novara oder in Neapel geführt hat, einem Weibe begegnet, dessen Gegenwart mir auch nur in den ersten Tagen lieber gewesen wäre als ein Spazierritt auf einem hübschen neuen Pferd? Was man Liebe nennt,‹ fuhr er fort, ›ist das nicht doch eine Lüge? Zweifellos bin ich verliebt, ebenso wie ich um sechs Uhr tüchtigen Hunger habe. Haben die Dichter aus diesem etwas gewöhnlichen Gefühl die Liebe Othellos, die Liebe Tankreds zusammengelogen? Oder soll ich glauben, ich sei anders geartet als die übrigen Menschen? Sollte meiner Seele eine Leidenschaft fehlen? Warum nur? Das wäre ein sonderbares Verhängnis!‹
    In Neapel war Fabrizzio, zumal in der letzten Zeit, Frauen begegnet, die, stolz auf ihre Schönheit, ihren Rang und die gesellschaftliche Stellung der Liebhaber, die sie ihm

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