Die Kartause von Parma
überließ, vergällte ihr das Dasein, und der Graf konnte sie nicht trösten.
Durch verschiedene recht verschmitzte Vorwände hatte der Minister den Fürsten dazu zu bestimmen gewußt, daß die Akten all der sehr verwickelten Umtriebe, durch die Ranuccio Ernesto IV. seine erzverrückte Hoffnung auf die Krone der Lombardei nährte, in einem befreundeten Schloß im Herzen dieses Landes, in der Umgegend von Saronno, untergebracht wurden. Mehr als zwanzig dieser höchst bloßstellenden Schriftstücke waren vom Fürsten eigenhändig geschrieben oder von ihm unterzeichnet. Für den Fall, daß Fabrizzios Leben ernstlich in Gefahr käme, hatte der Graf den Plan gefaßt, Serenissimus zu erklären, er wolle jene Akten an eine Großmacht ausliefern, die ihn mit einem Federzuge vernichten konnte.
Des künftigen Barons Riva glaubte Graf Mosca sicher zu sein; er fürchtete nur das Gift. Barbones Attentat hatte ihn äußerst beunruhigt, und zwar in einem so hohen Grade, daß er sich verleiten ließ, einen zweifellos tollen Schritt zu wagen. Eines Vormittags begab er sich an dasTor der Zitadelle und ließ den General Fabio Conti herausbitten. Dieser kam bis an die Bastei oberhalb des Tores. Während die beiden sich dort freundschaftlich ergingen, trug Mosca kein Bedenken, ihm nach einer bittersüßen, höflichen Einleitung zu erklären: »Wenn Fabrizzio auf verdächtige Weise umkäme, so würde dieser Tod mir in die Schuhe geschoben. Man müßte ihn für eine Tat der Eifersucht halten, was für mich ein schändlicher Reinfall wäre, und ich bin entschlossen, mich davor zu bewahren. Wenn Fabrizzio also an Krankheit stirbt, bringe ich Sie eigenhändig um! Verlassen Sie sich darauf!«
Der General Fabio Conti gab eine großartige Antwort, er sprach von seiner Tapferkeit; aber den Blick des Grafen vergaß er nicht.
Wenige Tage darauf beging der Großfiskal Rassi, wie auf Verabredung mit dem Grafen, eine für einen Mann seines Schlages recht sonderbare Unklugheit. Die allgemeine Verachtung, die an seinem Namen hing, der sprichwörtlich gleichbedeutend mit Schurke war, machte ihn krank, seitdem er die begründete Hoffnung hatte, dieses Namens ledig zu werden. Er sandte dem General Fabio Conti eine beglaubigte Abschrift des Urteils zu, wonach Fabrizzio zwölf Jahre Festung zu verbüßen hatte. Nach dem Gesetz hätte dies sofort am Tage nach Fabrizzios Einlieferung in die Zitadelle geschehen müssen; aber in Parma, einem Lande der geheimen Maßregeln, war es etwas ganz Unerhörtes, daß die Justiz ohne besonderen Befehl von Serenissimus ihre Pflicht zu erfüllen sich erlaubte. In der Tat, wie sollte dieser die Hoffnung nähren, die Angst der Duchezza alle vierzehn Tage zu verdoppeln und, wie er sagte, ihr stolzes Wesen zu bändigen, nachdem eine beglaubigte Abschrift des Urteils aus der Kanzlei des Justizministeriums ergangen war? Einen Tag, bevor der General Fabio Conti das amtliche Schriftstück des Großfiskals Rassi empfing, erfuhr er, daß der Schreiber Barbone bei einer etwas verspäteten Heimkehr in dieZitadelle arg verprügelt worden war. Er schloß daraus, daß man an gewisser Stelle nicht mehr daran dachte, sich Fabrizzios zu entledigen, und aus Schlauheit erwähnte er während des nächsten Empfanges bei Serenissimus, der ihm zuteil ward, kein Wort von der amtlichen Abschrift des Urteils über den ihm anvertrauten Gefangenen. Das rettete Rassi vor den sofortigen Folgen seiner Torheit. Zur Beruhigung der armen Duchezza hatte der Graf zufällig feststellen können, daß der mißlungene Versuch Barbones nur ein Ausfluß persönlicher Rachsucht gewesen war; er war es, der dem Schreiber den erwähnten Denkzettel hatte verabreichen lassen.
Fabrizzio war höchst angenehm überrascht, als er nach einhundertfünfunddreißig Tagen Haft in seinem engen Käfig eines Donnerstags den guten Almosenier Don Cesare kommen sah, der ihn zu einem Spaziergang auf dem Dach der Tonre Farnese abholte. Fabrizzio war keine zehn Minuten dort, als er durch die ungewohnte frische Luft ohnmächtig wurde.
Don Cesare benutzte diesen Unfall als Vorwand, ihm einen täglichen Spaziergang von einer halben Stunde zu bewilligen. Das war eine Dummheit. Diese häufigen Spaziergänge gaben unserem Helden sehr bald die Kräfte wieder, die ihm verloren gegangen waren.
Es fanden mehrere Serenaden statt. Der ängstliche Kommandant duldete sie nur, weil sich seine Tochter Clelia, deren Charakter ihm Furcht einflößte, dadurch dem Marchese Crescenzi verpflichtete; er
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