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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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mißfallen? Ich schreibe Ihnen auch nur, weil Ihnen die äußerste Gefahr droht. Ich habe soeben die Duchezza gesehen. Es geht ihr gut, ebenso dem Grafen Mosca, aber sie ist sehr mager geworden. Schreiben Sie mir nicht wieder von jenem Thema, wenn Sie mich nicht erzürnen wollen!«
    Die letzten Zeilen hatten Clelia große Überwindung gekostet. Jedermann in der Hofgesellschaft behauptete, die Duchezza di Sanseverina habe enge Freundschaft mit dem Grafen Baldi geschlossen. Das war jener schöne Mann, der ehemalige Freund der Marchesa Raversi. Tatsache war, daß Baldi auf empörende Weise mit der Marchesa gebrochen hatte, die ihn sechs Jahre lang bemuttert und ihm in der Gesellschaft zu Ansehen verhelfen hatte.
    Clelia hatte das Briefchen in aller Eile noch einmal schreiben müssen, weil sie in der ersten Fassung die neue Liebschaft, die der boshafte Hofklatsch der Duchezza andichtete, berührt hatte.
    »Welche Gemeinheit von mir,« hatte sie laut ausgerufen, »Fabrizzio Schlechtes von der Frau zu hinterbringen, die er liebt!«
    Am anderen Morgen, lange vor Tagesanbruch, betrat Grillo Fabrizzios Zelle, legte einen ziemlich schweren Packen nieder und verschwand wieder, ohne ein Wort zu sagen. Der Packen enthielt ein großes Brot, das voller kleiner, mit der Feder gezogener Kreuze war. Fabrizzio bedeckte es mit Küssen; er war verliebt. Dem Brot zur Seite lag eine Rolle, mehrfach mit starkem Papier umwickelt, die sechstausend Franken in Zechinen enthielt. Schließlich fand er ein nagelneues Brevier. Von einer ihm nicht mehr unbekannten Hand waren folgende Worte an den Rand geschrieben:
    ›Gift! Achtung vor dem Wasser, dem Wein und vor allem! Von Schokolade leben. Das Essen dem Hund zu fressen geben. Es nicht anrühren! Es ist nicht nötig, das Mißtrauen offen zu zeigen. Der Feind würde ein neues Mittel suchen. Keine Unbesonnenheit, um Gottes willen, keinen Leichtsinn!‹
    Fabrizzio vernichtete schleunigst diese teueren Schriftzüge, die Clelia in Gefahr bringen konnten, und riß eine große Zahl Blätter aus dem Brevier. Damit fertigte er mehrere Alphabete an, wobei er jeden Buchstaben sauber mit zerstoßener und mit Wein angefeuchteter Kohlemalte. Die Buchstaben waren getrocknet, als Clelia um drei Viertel zwölf Uhr zwei Schritt hinter dem Vogelstubenfenster erschien. »Die Hauptsache ist,« sagte sich jetzt Fabrizzio, »daß sie in die Benutzung einwilligt.« Zum Glück stellte es sich heraus, daß sie dem jungen Gefangenen eine Menge über Vergiftungsversuche zu sagen hatte. Ein Hund der Dienstboten war gestorben, nachdem er von einer Schüssel gefressen hatte, die für Fabrizzio bestimmt war. Weit entfernt, gegen den Gebrauch der Buchstaben Einwände zu erheben, hatte auch sie ein prächtiges Alphabet mit Tinte hergestellt. Die Unterhaltung damit, so unbequem sie anfangs war, dauerte nicht weniger als anderthalb Stunden, das heißt die ganze Zeit hindurch, die Clelia in der Vogelstube verweilen durfte. Zwei- oder dreimal erlaubte sich Fabrizzio Verbotenes; sie antwortete darauf nicht und widmete jedesmal einige Augenblicke der Versorgung ihrer Vögel.
    Fabrizzio erreichte es, daß sie ihm abends beim Schicken von Wasser ein Alphabet zukommen ließ, das sie mit Tinte gemalt hatte und das deutlicher zu sehen war. Er verfehlte nicht, einen sehr langen Brief zu schreiben, in dem er alle Zärtlichkeiten sorglich vermied, zum mindesten solche, die sie verletzen konnten. Dieses Mittel hatte Erfolg; sein Brief fand Gnade.
    Anderntags bei ihrer Unterhaltung durch Buchstaben machte ihm Clelia keine Vorwürfe. Sie teilte ihm mit, die Vergiftungsgefahr sei geringer geworden. Barbone war von den Leuten, die den Küchenmädchen der Kommandantur den Hof machten, angefallen und beinahe totgeprügelt worden. Clelia gestand ihm, sie habe von ihrem Vater Gegengift für ihn zu stehlen gewagt und sende es ihm. Die Hauptsache sei, zur Zeit jede Nahrung zurückzuweisen, die einen ungewöhnlichen Geschmack habe.
    Clelia stellte eine Menge Fragen an Don Cesare, ohne ergründen zu können, woher die sechshundert Zechinen kämen, die Fabrizzio erhalten hatte. Auf alle Fälle war dies ein gutes Zeichen; die Strenge ließ nach.Die Vergiftungsgeschichte hatte die Sache unseres Gefangenen unendlich gefördert; allerdings vermochte er nicht das geringste Geständnis zu erringen, das einen Anklang an Liebe gehabt hätte. Gleichwohl genoß er das Glück, in vertrautester Weise mit Clelia zu leben. Alle Vormittage und häufig des Abends fanden

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