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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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Mosca mochte vierzig bis fünfundvierzig Jahre zählen. Er hatte ausgeprägte Züge, war aber nicht im geringsten wichtigtuerisch, sondern schlicht und heiter. Man war sofort von ihm eingenommen. Er wäre noch recht annehmbar gewesen, wenn er nicht einer Laune seines Fürsten zuliebe das Haar gepudert getragen hätte, gleichsam als Beweis treuer politischer Gesinnung. Da man in Italien wenig fürchtet, die Eitelkeit zu verletzen, so gelangt man sehr schnell zu einem vertraulichen Ton und zu persönlichen Bemerkungen. Der Fehler an dieser Art des Verkehrs ist der, daß man auf immer bricht, wenn man etwas übel genommen hat.
    »Warum tragen Sie eigentlich das Haar gepudert, Graf?« fragte die Pietranera, als sie sich zum dritten Male sahen. »Puder! Ein Mann wie Sie, liebenswürdig, noch jung, der den Feldzug in Spanien mitgemacht hat, auf unserer Seite!«
    »Ja, das kommt daher, daß ich in Spanien nichts gestohlen habe und doch leben muß! Ich war vernarrt in den Ruhm. Ein Lob des französischen Generals Gouvion- Saint-Cyr, unseres Oberbefehlshabers, war mir damals alles. Beim Sturze Napoleons stellte es sich heraus, daß ich in seinen Diensten mein Vermögen aufgezehrt hatte, während mein Vater, der mich schon als General sah, mir in Parma bereits einen Palast gebaut hatte. So hatte ich im Jahre 1813 als ganzen Besitz ein halbfertiges Riesenhaus und eine Pension...«
    »Eine Pension, dreitausendfünfhundert Franken, wie mein Mann!«
    »Der Graf Pietranera war Divisionskommandeur. MeinePension als armseliger Schwadronschef beträgt nur achthundert Franken und wird mir übrigens erst ausgezahlt, seitdem ich Finanzminister bin.«
    Da sonst niemand in der Loge war als ihre Besitzerin, eine Dame mit ausgesprochen liberalen Ansichten, so spann sich das Gespräch in gleicher Freimütigkeit weiter. Der Graf Mosca erzählte auf Befragen von seiner Lebensweise in Parma.
    »In Spanien unter Saint-Cyr stellte ich mich in den Kugelregen für das Kreuz der Ehrenlegion und ein wenig Ruhmesglanz. Jetzt ziehe ich mich wie ein Hanswurst an, um ein behagliches Leben zu führen und ein paar tausend Franken zu erhäschen. Ich hatte mich nun einmal in diese Art Schachspiel eingelassen, ärgerte mich über die Unverschämtheit meiner Vorgesetzten und nahm mir vor, hochzukommen. Ich habe es erreicht. Aber meine glücklichsten Tage sind immer die, die ich von Zeit zu Zeit in Mailand verbringe. Hier, meine ich, schlägt noch das Herz euerer Italien-Armee!«
    Die Offenheit, die disinvoltura, mit der dieser Minister eines allgemein gefürchteten Fürsten plauderte, reizte die Neugier der Gräfin. Seinem Titel gemäß hatte sie einen kleinlichen Wichtigmacher in ihm erwartet; sie fand einen Mann, der sich der Würde seiner Stellung schämte. Mosca hatte versprochen, ihr alle Neuigkeiten über Frankreich, die er auftreiben könne, zu bringen. Das war in Mailand einen Monat vor der Schlacht von Waterloo eine große Indiskretion. Es handelte sich um das Sein oder Nichtsein Italiens; alle Welt war im Fieber der Angst oder der Hoffnung. Mitten in diesem allgemeinen Wirrwarr zog die Gräfin Erkundigungen über den Mann ein, der so leichtsinnig über eine vielbeneidete Stellung sprach, die obendrein seine einzige Hilfsquelle war.
    Man hinterbrachte der Gräfin Pietranera seltsame, spannende und widerspruchsvolle Dinge. Der Graf Mosca della Rovere Sorezana, berichtete man ihr, stehe auf dem Punkte, Premierminister und erster Günstling von ErnestoRanuccio IV. zu werden, dem Autokraten von Parma, einem der reichsten Fürsten Europas. Der Graf hätte diesen höchsten Posten längst erreicht, wenn er sich standesbewußter benommen hätte. Öfters habe ihm der Fürst über diesen Punkt höchstselbst den Text gelesen. »Was kümmert Eure Hoheit meine Lebensart,« solle er freimütig geantwortet haben, »wenn ich Allerhöchstdero Angelegenheiten gut erledige?« Das Glück dieses Günstlings, fügte man hinzu, sei nicht ohne Dornen. Er habe sich die Gunst eines Landesherrn zu erhalten, der zweifellos klug und geistreich sei, seit seiner Thronbesteigung aber sichtlich den Kopf verloren habe und ein wahrhaft weibisches Mißtrauen hege.
    Ernst IV. war nur im Kriege ein Held. Auf den Schlachtfeldern hatte man ihn als braven General ein dutzendmal die Kolonnen zum Sturm führen sehen, doch als er nach dem Tod seines Vaters Ernst III. in seine Lande heimkehrte, wo ihm unglücklicherweise unumschränkte Herrschergewalt zuteil geworden, begann er gegen die

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