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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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Giletti, der ihn verfolgte, war drei Schritte vor ihm. Während er noch im Schuß war, stach Fabrizzio nach ihm. Giletti wollte den Hirschfänger mit seinem Degen abfangen, lenkte den Stoß aber nur nach oben und bekam ihn mitten in die linke Backe. Er stürzte auf Fabrizzio zu, der einen Stich im Schenkel fühlte; es war Gilettis Messer, das dieser inzwischen gezogen hatte. Fabrizzio machte einen Sprung nach rechts und drehte sich um. Endlich standen sich die beiden Gegner im richtigen Fechtabstand gegenüber.
    Giletti fluchte wie ein Wilder. »Warte, du Pfaffenluder! Ich werde dir die Gurgel abschneiden!« brüllte er immer wieder.
    Fabrizzio war ganz außer Atem und konnte nicht sprechen. Der Schlag mit dem Degengriff ins Gesicht verursachte ihm heftige Schmerzen, und seine Nase blutete stark. Mehrere Stöße wehrte er mit seinem Hirschfänger ab und stieß einige Male damit zu, ohne recht zu wissen, was er tat. Er hatte das unklare Gefühl, bei einer öffentlichen Fechtvorstellung zu sein. Diesen Gedanken hatte ihm die Gegenwart seiner Arbeiter eingegeben, die, fünfundzwanzig bis dreißig an der Zahl, einen Kreis um die Kämpfer gebildet hatten, freilich in gehörigem Abstand, denn die beiden stürmten bald hier, bald dort ohne Pause aufeinander los.
    Der Kampf schien ein wenig nachzulassen; die Stößefolgten nicht mehr so blitzschnell hintereinander. Da sagte sich Fabrizzio: ›Nach den Schmerzen zu urteilen, die ich im Gesicht fühle, muß er mich übel zugerichtet haben.‹ Bei diesem Gedanken packte ihn die Wut; er stürzte, die Spitze des Hirschfängers vor sich hin haltend, auf seinen Gegner los. Der Stahl drang Giletti in die rechte Brustseite und kam an der linken Schulter wieder heraus. Zu gleicher Zeit drang Gilettis Degen in seiner ganzen Länge durch Fabrizzios Arm, aber er glitt unter der Haut hin und verursachte nur eine unbedeutende Wunde.
    Giletti war gefallen. Im Augenblick, da Fabrizzio auf ihn zutrat, mit dem Blick auf dessen linke Hand, die ein Messer hielt, öffnete sich diese Hand mechanisch und ließ die Waffe fallen.
    ›Der Schuft ist tot,‹sagte sich Fabrizzio. Er sah ihm ins Gesicht. Giletti spie eine Menge Blut. Fabrizzio eilte an den Wagen.
    »Hast du einen Spiegel?« rief er Marietta zu. Sie starrte ihn ganz bleich an und vermochte nicht zu antworten. Die Alte nahm mit großer Kaltblütigkeit eine grüne Tasche zur Hand und reichte Fabrizzio einen kleinen Handspiegel. Er betrachtete sich und untersuchte sein Gesicht. ›Die Augen sind heil‹, sagte er sich. ›Das ist schon viel.‹ Er besah sich die Zähne: ›Sie sind alle ganz‹ – ›Woher habe ich nur solche Schmerzen?‹ fragte er sich halblaut. Die Alte erwiderte ihm: »Weil Giletti Ihnen mit seinem Degengriff die ganze Backe bis auf den Knochen durchgeschlagen hat. Ihre Wange ist furchtbar geschwollen und ganz blau. Setzen Sie sich gleich ein paar Blutegel an, und die Sache ist gemacht!«
    »So! Gleich Blutegel!« lachte Fabrizzio; er hatte seine Kaltblütigkeit wieder. Er bemerkte, daß die Arbeiter alle um Giletti standen und ihn anglotzten, aber nicht wagten, ihn anzurühren.
    »So helft dem Manne doch!« rief er ihnen zu. »Zieht ihm den Rock aus!«
    Er wollte noch mehr sagen, aber als er aufschaute, gewahrte er fünf oder sechs Männer dreihundert Schritt entfernt auf der Landstraße, die zu Fuß und in gleichmäßigem Schritt auf den Tatort zukamen.
    ›Das sind Gendarmen,‹ dachte er, ›und da hier ein Toter liegt, werden sie mich festnehmen, und ich habe die Ehre eines feierlichen Einzugs in Parma. Was für ein Klatschstoff für die Sippschaft der Raversi, die meine Tante haßt!‹
    Blitzschnell warf er den verdutzten Arbeitern alles Geld zu, das er in seinen Taschen hatte, und schwang sich in den Wagen.
    »Hindert die Gendarmen, mich zu verfolgen!« rief er den Arbeitern zu. »Ich werde euch reich belohnen. Sagt ihnen, daß ich schuldlos bin, daß dieser Mensch mich angegriffen hat und mich ermorden wollte!«
    »Und du,« sagte er zum Kutscher, »laß deine Pferde Galopp laufen! Du bekommst vier Napoleons, wenn du über den Po kommst, ehe mich die Männer da erwischen.« »Es gilt!« antwortete der Kutscher. »Haben Sie nur keine Bange! Die Leute da sind zu Fuß, und schon im Trab kriegen meine Pferdchen einen riesigen Vorsprung vor ihnen.«
    Mit diesen Worten fuhr er im Galopp los.
    Unser Held ärgerte sich über das Wort ›Bange‹ im Munde des Kutschers. In der Tat, seit er den Schlag mit dem Degengriff

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