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Die Karte Des Himmels

Die Karte Des Himmels

Titel: Die Karte Des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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fast den ganzen Tag. Kurz vor Weihnachten suchte Dr. Brundall uns auf und erklärte, dass es nur noch eine Frage der Zeit sei. Ich solle nach seiner Schwester schicken, und das tat ich auch, obwohl ich darüber aufgebracht war. Niemand sollte mir vorhalten können, dass ich meinen Pflichten nicht nachgekommen sei.
    Die Pilkingtons machten sich nicht sofort auf den Weg. Sie bummelten. Erst später erkannte ich den Grund. Und so kam es, dass ihre Kutsche vorfuhr, just nachdem das Postpferd Starbrough Hall mit Briefen verlassen hatte, die den Tod seines Masters verkündeten. In der Begleitung der Pilkingtons befand sich Mr. Atticus, Anwalt aus Norwich. Nicht Vaters alter Mr. Wellbourne, sondern ein junger Mann mit überzeugendem Auftreten und einem ausgeprägten Geschäftssinn. Sie alle zwängten sich in das Schlafzimmer meines Vaters und betrachteten den armen abgemagerten Körper mit entsetzlichem Desinteresse. Nur Augustus zeigte sich betrübt, wurde so blass und reglos wie die Leiche selbst. Ich zog ihn aus dem Zimmer und versuchte, ihn mit den wenigen gebrochenen Worten zu trösten, die ich finden konnte.
    Alicias Stimme flog gebieterisch durch das Haus. Sie befahl, die Betten zu machen, das Mobiliar wieder herzurichten und dass der Pfarrer gerufen werden solle, um die Beisetzung zu besprechen. Es war der offenkundige Mangel an Trauer, der mich am meisten erzürnte. Weder für Susans Tränen noch für Mrs. Godstones Erschöpfung fand sie Worte des Trostes, sondern beschwerte sich stattdessen über verkochten Hering und nur halb gegarten Pudding und befahl, Vaters Lieblingshund zu erschießen, den alten Windhund, denn der Anblick seiner Räudigkeit beleidige sie. Ich erklärte ihr, so ruhig ich es vermochte – obwohl ich gehörig in Aufruhr war –, dass ich gern selbst mit Pastor Orbison über die Bestattung sprechen wolle, denn Vater hätte mir einmal gesagt, dass er wünsche, in der Nähe des Turmes bestattet zu werden, und dafür wolle ich die Erlaubnis des Pfarrers erwirken. Danach stürmte Alicia aus dem Zimmer und schrie herum, dass ehrenwerte Wickhams auf dem Friedhof bestattet würden. ›Es ist unnütz, dass Sie die Fassung verlieren, Ma’am‹, sagte ich. ›Ich wiederhole nur seinen ausdrücklichen Wunsch.‹ Aber das schien sie nicht zur Vernunft zu bringen.
    Schließlich beruhigte sie sich ein wenig, und wir kamen überein, abzuwarten, was der Pfarrer dazu sagen würde. Dann rief sie Mr. Trotwood zu sich und vertraute ihm einen Brief an, welcher unverzüglich in die Kanzlei von Mr. Wellbourne gebracht werden solle. »Er muss morgen zu uns kommen, um das Testament zu verlesen, wenn es ihm möglich ist«, verkündete sie. Aber falls der Ton ihres Briefes genauso finster war wie ihre Worte, dann würde er wissen, dass es ihm sehr gut möglich sein musste.
    Mr. Orbison erschien bei Einbruch der Dunkelheit und blieb zum Dinner. Da der Boden im Kirchhof so hart sei wie Stein, erklärte er, könne er sich nur vorstellen, dass es auf dem Hügel, wo der Frost in den vergangenen Wochen heftig gewütet hatte, nur noch schlimmer sei. Außerdem wolle er, fügte er hinzu und hob das Glas Wein empor wie einen Abendmahlskelch, nichts mehr mit einem Ort zu tun haben, bei welchem es sich zweifelsfrei um eine heidnische Begräbnisstätte handele. Alicias Augen glitzerten triumphierend, und ihr Lächeln erinnerte an die zuckende Zunge einer Schlange. Ich wagte nicht, noch ein Wort über die Sache zu verlieren.
    Als Betsy am nächsten Morgen die Tür für Vaters Anwalt Mr. Wellbourne öffnete, wehte ein eisiger Wind in das Haus. Wir alle hatten im Esszimmer Platz genommen, Mr. Atticus und er an den entgegengesetzten Enden des Tisches, Alicia und Adolphus an einer Seite, Mr. Trotwood an der anderen. Die übrigen Angehörigen des Haushaltes standen im Zimmer, während Mr. Corbett Holz im Kamin nachlegte. Gleich zu Beginn des Verfahrens fand man Augustus lauschend an der Tür. Seine Mutter zerrte ihn herein und befahl ihm, den Mund zu halten.
    Mit seiner holprigen, pfeifenden Stimme verlas Mr. Wellbourne den Letzten Willen meines Vaters, der sich über endlose Seiten zu erstrecken schien. Schließlich kam er zum Kern. Alicia wurde die Summe von 3000 Pfund zugesprochen, einige Stücke des Mobiliars und das Porträt ihrer Mutter, welches in Vaters Zimmer hing. Mehrere hundert Pfund sollten unter den Dienstboten verteilt werden. Die Königliche Astronomische Gesellschaft wurde mit einer Spende bedacht. Der Rest: Haus, Land,

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