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Die Karte Des Himmels

Die Karte Des Himmels

Titel: Die Karte Des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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fand. Nachdem sie die Schokolade vertilgt hatte, rollte sie ihre zerfetzte Strumpfhose nach unten und reinigte die Wunde, die zwar nicht besonders schlimm aussah, aber immer noch wehtat.
    Als Jude sich besser fühlte, fuhr sie weiter den Hügel hinauf und machte sich Gedanken über das Haus, von dem er gesprochen hatte. Sie musste vorhin mit dem Auto daran vorbeigekommen sein, weiter zurück Richtung Starbrough Hall. Sie merkte sich die Stelle an der Straße, an der der Weg in den Wald abzweigte und er sie allein gelassen hatte. Schade, dass ich die Einmündung nicht gefunden habe, bevor ich in den überwucherten Waldweg eingebogen bin, dachte sie und fuhr weiter nach Felbarton.

6. Kapitel
    Jude schloss das klapprige Tor zum Garten vor dem Blacksmith Cottage und ging den schmalen Weg hinauf. Dann blieb sie stehen und freute sich über den Anblick des kleinen Mädchens, das in regelmäßigen Abständen vor der Mauer im hinteren Teil des Gartens hoch hinauf- und hinunterflog, begleitet von einem regelmäßigen Rhythmus aus Rumsen und Quietschen. Summer hatte die Augen geschlossen, während sie auf dem Trampolin sprang, und ihre Lippen bewegten sich, als ob sie sich im Zauber irgendeines Liedes verloren hätte. Wie zart und ätherisch sie wirkt, dachte Jude. Ihre Nichte trug eine pinkfarbene Caprihose und ein besticktes Top. Das feine Haar flog ihr um das Gesicht. Das Mädchen war so leicht und geschmeidig wie die Mauerschwalben, die in der Abendluft aufstiegen und wieder abtauchten.
    Als würde sie spüren, dass sie beobachtet wurde, schlug Summer die Augen auf. »Tante Jude!«, rief sie, hüpfte vom Trampolin und verschwand aus dem Blickfeld. Aber Jude konnte sie noch hören, obwohl ihre Nichte schon längst im Haus verschwunden war. »Mummy, Mummy«, rief sie, »Tante Jude ist hier!«
    Jude wartete, bis die Eingangstür geöffnet wurde, bewunderte die Fülle der weißen Rosen über dem Vordach und die Fensterbänke voller Geranien und herabhängenden Lobelien. Claire hat schon immer einen grünen Daumen gehabt, dachte Jude und erinnerte sich an eine einsame Grünlilie in ihrer Küche in Greenwich.
    »Wann kommst du denn endlich rein?«, rief Claire auf der Türschwelle. Ihre ruppige Art hatte schon immer einen erstaunlichen Gegensatz dazu gebildet, wie freundlich und vorsichtig sie schöne Dinge behandeln konnte. Nur wer Claire – wie Jude – gut kannte, blickte tiefer und entdeckte den weichen Kern unter der harten Schale. Ihre schroffe Ausdrucksweise war ein Teil der Rüstung, mit der sie sich nicht erst seit gestern vor der Welt schützte. »Was zum Teufel hast du denn angestellt?«, schrie Claire.
    Jude ließ den Blick an ihrem zerknautschten Jackett und dem Rock hinunterschweifen. Unter dem Pflaster sickerte Blut hervor. »Das ist eine lange Geschichte«, erwiderte sie.
    Summer duckte sich unter dem Arm ihrer Mutter hinweg, tanzte um Jude herum, nahm sie am Arm und zog sie ins Haus. Alle drei stolperten in das kleine Wohnzimmer. Claire hockte sich auf die Armlehne eines Stuhls, während Jude sich auf das Sofa sinken ließ und Summer sich in ihren Schoß kuschelte. Jude strich dem Mädchen übers Haar und atmete den blumigen Duft ein. Eine Mischung aus Sehnsucht und Glücksgefühlen stieg in ihr auf, aber dann war es auch schon vorbei – Summer konnte nie lange stillhalten.
    »Komm mit nach oben, Tante Jude«, befahl sie, »ich will dir mein Puppenhaus zeigen. Ich habe gerade ein paar Bilder für die Wände gemalt.«
    »Lass deine arme Tante doch ein paar Minuten sitzen«, sagte Claire und warf wieder einen neugierigen Blick auf die Wunde an Judes Bein. »Ich setz Wasser auf, okay? Wenn du willst, kannst du ja erst mal duschen und dich umziehen.«
    »Es macht mir nichts aus, Tee zu kochen«, sagte Jude zögernd. Eigentlich hatte sie aufrichtig ihre Hilfe anbieten wollen, war aber wie üblich falsch verstanden worden.
    »Ich komme schon klar, vielen Dank«, sagte Claire entschieden. »Du siehst aus, als hättest du heute ein paar Schlachten geschlagen.«
    Jude schaute zu, wie ihre Schwester sich von der Stuhllehne hochstieß und in die Küche humpelte. Obwohl die vielen Operationen ihrem Bein durchaus geholfen hatten, war das eigentliche Problem doch nie ganz beseitigt worden, und mit sechzehn hatte Claire sich geweigert, weitere Behandlungen über sich ergehen zu lassen.
    »Komm schon, Tante Jude.« Summer rannte nach oben.
    »Ich hole das Bettzeug raus«, rief Claire aus der Küche. »Nimm dir ein Handtuch

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