Die Karte Des Himmels
Stirn und gab einen Stich Butter hinzu. »Darüber weiß ich nichts.«
»Wo liegt das Cottage des Jagdaufsehers? Hast du eine Ahnung?«
»Das? Du musst daran vorbeigefahren sein, als du von Starbrough Hall gekommen bist. Auf der linken Seite, kurz bevor es zum Hügel hochgeht. Ich weiß, wer dort wohnt, Euan, der Mann, der die Bilder gemacht hat.«
»Das Haus unten am Hügel.« Genau das hatte der Mann am Turm auch gesagt. Es mochte dort zwar noch andere Häuser geben, aber sie hatte jedenfalls keines bemerkt. »Dann kann es sein, dass ich ihm bereits begegnet bin«, sagte Jude, »diesem Euan. Ich glaube, es war der Mann vom Starbrough Folly. Groß? Lockiges, dunkles Haar, ziemlich braun?«
»Hört sich nach Euan an«, meinte Claire und schaute ihre Schwester aufmerksam an.
»Aber er ist doch nicht der Grundbesitzer, oder? Der Mann, der das Puppenhaus gebaut hat? Wirklich?«
»Ich habe keine Ahnung, welches Land er besitzt, aber es ist ganz bestimmt Euan, der im Cottage des Jagdaufsehers wohnt, und er sieht ganz bestimmt so aus, wie du gerade beschrieben hast. Er ist bestens mit Summer befreundet. Er ist in den Laden gekommen, als Summer zufällig dort war, während der Ferien, und unter dem Arm hatte er die Bilder. Darcey hat ihn begleitet. Sie ist in Summers Klasse. Summer ist zum Spielen bei ihnen geblieben. Und dann hat er mit den Mädchen mal einen Ausflug gemacht. Ich habe ihn zu uns zum Abendessen eingeladen, um mich zu bedanken, und dann ist er letzte Woche aus heiterem Himmel mit dem Puppenhaus aufgetaucht. Offenbar hatte er eins für Darcey gebaut, und Summer war vorlaut genug, ihn zu fragen, ob er ihr auch eins machen könnte. Du weißt ja, wie sie die Leute überreden kann. Er ist wirklich ein netter Kerl.«
»Ach, ist er das?«, sagte Jude zweifelnd und erinnerte sich an den Streit mit ihm.
»Ja. Es hat ihm ganz bestimmt nicht gepasst, dass du ihm alle möglichen Vorwürfe gemacht hast.«
»Ich hatte einen Grund ... ich war erschrocken, das ist alles. Ach, zum Teufel, hab ich mich lächerlich gemacht?«
»Ich gehe davon aus, dass er dir verzeihen wird.«
Claire schien große Stücke auf Euan zu halten. Jude lächelte. »Und, ist er verheiratet?«
»Nein, geschieden. Glaube ich jedenfalls. Aber bilde dir bloß nichts ein«, entgegnete Claire so stachlig wie eine Klette. Aber auch genauso anhänglich.
Jude hob die Hände, so als wollte sie einen Angriff abwehren. »Nicht in meinen kühnsten Träumen«, sagte sie.
Es war lange her, dass es einen Mann in Claires Leben gegeben hatte. »Ich bin zu unabhängig. Ich schlage sie alle in die Flucht«, hatte sie Jude vor ein oder zwei Jahren nach ein paar Gläsern Wein gestanden. Ihre Beziehungen waren oft kurz und hitzig gewesen. Jude hatte beobachtet, dass sie den Männern zu schnell zu tief verbunden war und ihnen dann, ehe man sich’s versah, praktisch mit der Bratpfanne den Schädel einschlug, sodass sie tatsächlich die Flucht ergriffen. Niemand konnte wirklich und wahrhaftig sagen, wer eigentlich Summers Vater war. Claire hatte sich stets geweigert, das Geheimnis zu lüften.
»Dieser Popsänger, dem sie im Kunstzentrum über den Weg gelaufen ist«, sagte ihre Mutter immer, obwohl Claire es niemals zugegeben hatte. Aber Jude glaubte, dass es stimmen könnte. Jon, so hieß er. Auf dem Kopf hatte er einen Wust hellblonder lockiger Haare, und seine großen blauen Augen blickten ebenso verträumt wie die von Summer. Claire hatte ihn zum Weihnachtsessen bei ihrer Mutter mitgebracht, weil er sich mit seinem Dad zerstritten hatte. Es war das erste Weihnachten, seit der Vater der Mädchen gestorben war, und es fiel ihnen schwer, so fröhlich zu sein wie früher. Jon war spät dazugekommen, und Claire hatte die ganze Zeit über kaum mit ihm gesprochen. Er war ständig vor die Tür gegangen, um übel riechende selbst gedrehte Zigaretten zu rauchen, und war dann auch bald wieder verschwunden. »Ohne sich ordentlich zu bedanken«, zischelte Valerie ärgerlich, als sie mit Jude und Mark den Abwasch erledigte. Valerie und Claire hatten deswegen gestritten, und Claire war die Treppe hinaufgestapft und hatte die Tür hinter sich zugeschlagen, als sie zu Bett ging, so wie früher, als sie fünfzehn war. »Nie kann man ihr was sagen, ohne dass sie gleich aus der Haut fährt«, sagte Valerie verbittert.
»Vielleicht hättest du ihr auch nicht sagen sollen, dass sie sich zur Abwechslung mal mit einem netten Menschen treffen soll«, hatte Jude seufzend
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