Die Karte Des Himmels
auch nur eine normale Phase.«
Der Gedanke schien Claire zu beruhigen.
»Erlaubst du, dass ich den Tisch decke?«, fragte Jude.
»Ja, natürlich. Die Tischdecke liegt in der obersten Schublade. Hier, das mag Summer.« Sie reichte Jude den Fruchtsaft. »Sollen wir den Wein aufmachen, den du mitgebracht hast?«
Jude räumte die Bücher und Papiere vom Tisch im Esszimmer, breitete die Decke mit Würfelmuster aus und stellte zwei sternförmige Kerzenhalter in die Mitte. Als sie Claires Laptop auf dem Seitentischchen stehen sah, erinnerte sie sich an »Beecham’s« und an die Informationen, die sie ihrem Chef schicken sollte. Sie ging in die Küche, um Gläser zu holen. »Hast du eigentlich eine funktionierende Breitbandverbindung?«, fragte sie Claire. »Und wärst du mir böse, wenn ich heute Abend noch ein bisschen arbeite? Ich muss ein Meeting für Montag vorbereiten.«
»Natürlich«, sagte Claire, »es müsste alles funktionieren. Reich mir doch bitte die Schüssel für den Brokkoli. Ich nehm sie mit rüber. Kannst du Summer rufen?«
»Mum hat gestern Abend angerufen«, sagte Claire, als sie sich an den Tisch setzten. »Endlich. Scheint so, als wäre es schrecklich heiß da. Ich meine, so richtig heiß, über fünfunddreißig Grad. Die Klimaanlage funktioniert nicht, und die Bauarbeiter haben die Klempnerarbeiten verpfuscht. Das heißt, sie bleiben eine Weile bei Freunden, während Douglas sich um alles kümmert.«
»Arme Mum«, sagte Jude.
»Glückliche Mum«, widersprach Claire sarkastisch. »Vergiss nicht, sie hat den guten alten Douglas.«
Jude grinste. Nach einigen Jahren als hilflose Witwe hatte ihre Mutter schließlich einen Kurs in lateinamerikanischem Tanz gemacht und so ihren neuen Lebenspartner kennengelernt. Douglas Hopkirk, Aktuar im Ruhestand, war in mancher Hinsicht wie ihr Vater – ruhig, pragmatisch veranlagt, besänftigend. »Aber er ist so langweilig«, hatte Claire sich bei Jude beklagt, nachdem der Mann ihnen vorgestellt worden war. »Niemand zieht sich heutzutage noch an wie David Niven, sagt ›Gebongt!‹ und trinkt Cinzano. Kein Wunder, dass seine Frau ihm weggelaufen ist.«
»Erst nach dreißig Ehejahren«, hatte Jude geantwortet. »Irgendwas muss also auch für ihn sprechen. Zum Beispiel ist er richtig nett. Solange man sich nicht über Golf mit ihm unterhält. Man langweilt sich zu Tode, wenn er über Handicaps spricht.«
»Oder über seine Schildkröten. Den halben Abend hat er mir Geschichten über seine verdammten Schildkröten erzählt«, hatte Claire schnaubend hinzugefügt.
»Was haben sie eigentlich mit den Schildkröten gemacht?«, fragte sich Jude laut. »Darf man sie ins Flugzeug mitnehmen?«
»Im Moment sind die Tiere bei seiner Tochter. Aber er hat vor, sie irgendwie nach Spanien zu holen und dort eine Zucht aufzubauen. Vielen Dank auch, ich weiß besser darüber Bescheid, wie sich Schildkröten paaren, als ich es je wollte.«
»Wie machen die Schildkröten das denn?«, fragte Summer, die die Pilze aus ihrem Risotto gepickt hatte und auf einem freien Löffel stapelte.
»Äh ... sie müssen sich ziemlich anstrengen, wenn sie kleine Babyschildkröten machen wollen«, sagte Jude schnell.
»Mehr als Menschen?«
»Manchmal haben es die Menschen auch schwer«, sagte Jude leise.
»Man braucht einen Daddy, um Babys zu machen, stimmt’s?«, fragte Summer. »Ich habe Emilys Mum gesagt, dass ich keinen Dad habe, und sie meinte, dass ich dann ein Wunder sein muss.«
»Du bist mein kleines Wunder«, sagte Claire feierlich. »Wir brauchen keinen Daddy.«
»Tante Jude, wenn du ein Baby haben willst, brauchst du einen Mann, der dann der Daddy ist.« Summer war zu jung, um sich an Mark zu erinnern.
»Iss dein Risotto«, murmelte Claire.
»Ja, ich weiß, Summer. Aber es ist gar nicht so einfach, den Richtigen zu finden«, erwiderte Jude, die mit Claire bisher kaum über Caspar gesprochen hatte.
Summer sah sie mit ernster Miene an und sagte dann: »Ich wünschte, ich könnte einen für dich finden.«
»Danke. Das ist wirklich lieb.« Jude und Claire blickten sich mit unterdrückter Belustigung an.
Claire stellte die Teller zusammen. »Wenn du ein Talent als Heiratsvermittlerin entwickelst, meine Süße, dann ist dein Lebensunterhalt für immer gesichert.«
Nach dem Abendessen verbrachte Jude eine Stunde an ihrem Laptop, studierte die deprimierenden Zahlen, die Inigo ihr gemailt hatte, und schickte beruhigende Mails an ihren Abteilungsleiter. Sie hatte versprochen, am
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