Die Karte Des Himmels
nicht ausgesehen.« Jude sah dem Wagen nach und dachte an Marcias missmutiges Gesicht, das kurz hinter der Windschutzscheibe sichtbar gewesen war. Aber was immer hier vor sich ging, es war nicht ihre Sache. Jude drehte sich vom Fenster weg und kramte in ihrer Tasche nach dem Anschlusskabel für den Laptop.
Sie schaute über die Liste mit den angemerkten Schätzwerten, die sie am Tag zuvor angelegt hatte, und stellte fest, dass sie vermutlich mit den meisten Büchern durch war. Sie würde die übrigen aufnehmen und sich dann für den Rest des Vormittags den Karten widmen, den
Observationstagebüchern und den Instrumenten. Bald war sie so tief in ihre Arbeit versunken, dass sie es kaum wahrnahm, als Chantal sich entschuldigte, um den Hund auszuführen.
Jude tippte den letzten Eintrag zu den Besonderheiten der Bücher und machte dann mit den Journalen weiter. Sie wusste nicht, ob diese Tagebücher viel wert waren – es kam darauf an, was sie enthielten –, aber es konnte gut sein, dass sie ein Licht auf den Rest der Sammlung warfen. Jude beschloss, die Journale kurz durchzublättern, bevor sie sie ihrer Freundin Cecelia zeigte.
Chantal kehrte mit finsterem Gesicht zurück. »Ist alles in Ordnung?«, fragte Jude und legte das letzte Tagebuch beiseite.
»Ich habe mit Robert gesprochen. Es ist nur etwas, das diese Frau gesagt hat.« Mehr gab sie nicht preis, aber ihre Miene war versteinert.
Jude ging hinüber zu den Bücherregalen, um zu prüfen, ob sie etwas übersehen hatte. Dem war nicht so.
»Ich glaube, ich bin fertig. Ich drucke jetzt nur noch die Zahlen aus. Die Bücher und Manuskripte könnten ungefähr fünfzigtausend Pfund wert sein. Die Planetenmaschine, der Globus und das Teleskop ... vielleicht noch mal fünfzigtausend. Aber ich muss mich erst beraten lassen. Schauen Sie mal.« Sie reichte Chantal ein Blatt, das ihr Minidrucker ausgespuckt hatte. »Wenn Robert damit zufrieden ist und möchte, dass es weitergeht, kann ich mich darum kümmern, dass die Sammlung verpackt wird.«
Jude sah den traurigen Ausdruck, der über Chantals Gesicht huschte, als ihr klar wurde, was das bedeutete: Bald würde die Sammlung von Anthony Wickham nicht mehr hier sein.
»Es tut mir leid«, flüsterte Jude und setzte sich neben sie. »Es ist traurig. Ich verstehe Sie.«
»Ich weiß, dass ich tapfer sein muss«, sagte Chantal und warf kaum einen Blick auf das Blatt. »Diese Bücher und Dinge waren immer ein Teil meines Lebens hier, von allem, was ich an Starbrough Hall so geliebt habe. Und da William nicht mehr ist, fühlt es sich an, als würde eine alte Wunde wieder aufgerissen. Es zeigt deutlich, dass ... dass ich nicht mehr hierhergehöre.«
»Nicht mehr hierhergehören?« Obwohl Jude diese Frau kaum kannte, versuchte sie instinktiv, sie zu trösten. »Warum sagen Sie das? Ihre Angehörigen leben hier, und nach allem was Sie mir erzählt haben, sind sie glücklich, Sie hier zu haben.«
»Ich weiß. Und man ist dort zu Hause, wo die Menschen sind, die man liebt. Aber trotzdem bin ich eine Außenseiterin. Ich habe darüber nachgedacht, nach Frankreich zurückzugehen, wissen Sie, aber ... in meiner Familie ist aus meiner Generation kaum noch jemand übrig. Mein Bruder ist tot, und seiner Witwe und den Kindern stehe ich nicht besonders nahe. Es gibt noch ein oder zwei alte Schulfreunde in Paris, und es wäre schön, wenn ich sie häufiger sehen könnte. Ich war auf einer Klosterschule in der Nähe von Notre-Dame. Die Nonnen waren sehr streng, aber nicht unfreundlich. Oh, das ist alles schon so lange her. Eine andere Welt.«
»Das kann ich mir gut vorstellen«, sagte Jude und freute sich, dass der Glanz wieder in Chantals Augen zurückkehrte, als sie sich an die Vergangenheit erinnerte. Paris in den Fünfzigerjahren. Wie aufregend das gewesen sein musste! Jude stellte sich die elegante Haute Couture vor, die Intellektuellen am linken Seine-Ufer, die Diskussionen in den Cafés. Die Klosterschülerinnen in Zweierreihen, die an der Seine entlanggingen, wie in dieser berühmten Kinderbuch-Serie, in der ein Mädchen namens Madeleine immer die Hauptrolle spielte ... Jude fragte sich, wie um alles in der Welt Chantal im ländlichen Norfolk gelandet war und ob sie sich schwer hatte einleben können.
»Wie haben Sie eigentlich Ihren Mann kennengelernt?«, fragte sie.
»Oh, das war bei meiner Tante Eloise. Sie war mit einem Offizier der englischen Armee verheiratet, den sie gegen Ende des Krieges kennengelernt hatte. Und als
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