Die Karten des Boesen
Detektiv ging in den kleinen Nebenraum. Als er zurückkehrte, hielt er ein medizinisches Nachschlagewerk in seinen Händen. Bedächtig blätterte er darin und schlug eine bestimmte Seite auf. »›Barbiturol‹ ist ein starkes Beruhigungsmittel, das den Herzschlag herabsetzt und die Muskulatur erschlaffen lässt.« Er warf dem Professor einen anklagenden Blick zu. »Wie viel haben Sie Come-In von dem Mittel verabreichen müssen, sodass Mr Art ihn an einem Draht im Ginsterbusch aufhängen konnte?«
»Du hast eine blühende Fantasie, junger Mann.« Professor Steed bleckte die Zähne. »Du solltest Schriftsteller werden!«
Justus nahm diese Bemerkung schweigend zur Kenntnis. »Auch Mrs Summers exzellente Darbietung der Tarotkarten, die ihr immer wieder den nahenden Tod prophezeiten, diente nur dem Zweck, uns auf die folgenden Ereignisse einzustimmen und uns glauben zu lassen, dass sie auf dem Gebiet der Zukunftsdeutung eine Meisterin ist. Die fünf Karten, die sie in Form eines Pentagramms vor uns auf den Tisch gelegt und wahrlich düster interpretiert hat, waren garantiert gezinkt: ›Der Gehängte‹ und ›Der Tod‹, die Karten der ›Schwerter‹ und ›Das Gericht‹, als Symbol für die Auferstehung! Deutlicher hätte man auf die folgenden Geschehnisse gar nicht hinweisen können. Meiner Meinung nach ein bisschen zu viel des Guten.«
»Der Tod … Die Liebenden …« Die Astrologin schien mit ihren Gedanken weit weg zu sein. »Die Offenbarung des Tarots …«
Der Erste Detektiv schüttelte abwehrend den Kopf. »Die Inszenierung kam aber erst richtig ins Rollen, als Mrs Summer beim Washington-Globe-Magazin anrief und Mr Hanson auf die Sache ansetzte. Sie hat ihm am Telefon eine Bombenstory angekündigt und für 17 Uhr zu sich nach Hause bestellt. Doch dann ließ sie ihn über die Sprechanlage abwimmeln. Mr Hanson hat sich jedoch von der Story so viel versprochen, dass es ihm lohnenswert erschien, vor ihrem Haus zu warten, um doch noch an die Story zu kommen.«
»Exakt so war es«, bestätigte der Reporter. »Ich konnte mir keinen Reim darauf machen, weshalb mich Mrs Summer plötzlich nicht mehr empfangen wollte. Dadurch wurde die Sache für mich noch viel interessanter.«
»Auch das war fest einkalkuliert«, fuhr Justus fort. »Während Sie, Mr Hanson, vor dem Tor auf sie warteten, präsentierten uns die beiden derweil im Haus ein weiteres Kabinettstückchen: ein Gespräch, in dem Professor Steed Mrs Summer einen Todesvertrag unterzeichnen ließ. Mrs Summer vergaß auch nicht, so ganz nebenbei die Adresse dieses Labors mit einzuflechten. Der Ort, an dem sie im Falle ihres Todes auf Eis gelegt werden sollte.«
»Spinn die Geschichte ruhig weiter, Junge«, frohlockte Professor Steed. »Ich bin gespannt, wo du am Ende angelangst.«
»Die Sache war bis ins kleinste Detail geplant: Während Mrs Summer mit uns Champagner trank, brachte sie uns mit größtem Geschick dazu, den Reporter vor ihrem Haus wegzulocken, oder besser gesagt, ihn an unsere Fersen zu heften, damit sie für das weitere Vorgehen freie Bahn hatte: Die Inszenierung eines Autounfalls mit tödlichem Ausgang!«
»Moment, Moment!«, unterbrach Peter den Vortrag des Ersten Detektivs. »Mich mithilfe des Pelzmantels und des Sonnenhutes in Milva Summer zu verwandeln war doch meine Idee. Wie hätte man das vorausplanen können?«
»Du bist ihr einfach zuvorgekommen, Zweiter«, schlussfolgerte Justus. »Garantiert wäre sie uns mit demselben Vorschlag gekommen. Neu ist dieser Trick schließlich nicht.«
Bob schüttelte verständnislos den Kopf. »Ich fasse es nicht! Und dann sauste Mrs Summer mit ihrem Wagen in den Santa-Monica-Bergen den Abhang hinab?«
»Nicht sie. Nur ihr Wagen«, korrigierte der Erste Detektiv. »Ich nehme an, dass Professor Steed das Gaspedal mit einem Stein beschwert hat. Dadurch konnte das Auto filmreif gegen den Felsen prallen. Die Straße ist nur selten befahren. Es blieb also genügend Zeit, dieses kühne Vorhaben ohne Zeugen auszuführen.«
»Und wie ging es deiner Ansicht nach weiter?«, wollte Mr Hanson wissen.
»Mrs Summer legte sich in das Wrack und wartete, bis die ersten Zeugen eintrafen. Wie Professor Steed vorhin selbst erwähnte, hatte ja niemand gesehen, wie es tatsächlich zu diesem Unfall kam. Die sogenannten Zeugen konnten nur das wiedergeben, was sie sehen sollten. Den weiteren Verlauf kennen wir ja bereits aus dem Radio.«
Der Tiermediziner verzog keine Miene.
»Tja, Professor Steed, Sie und Mrs Summer
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