Die Kastratin
schöner! Nein, mein Kleines, du wirst sehen, es wird alles gut verlaufen. « So zuversichtlich, wie sie getan hatte, war die alte Dienerin jedoch nicht, denn als Giulia gegangen war, verließ sie ebenfalls das Haus, um in der kleinen Kirche nebenan die Heilige Jungfrau zu bitten, ihrer Herrin beizustehen.
Die Kirche Santa Maria Maggiore war heute mit den Farben der Medici drapiert, deren Düsternis von Blumen und frischem Grün gemildert wurde. Vor dieser Kulisse glichen die in weißen Chorhemden mit roten Krägen und Säumen steckenden Männer vor dem Altar den Sängerknaben von Saletto. Im ersten Moment zuckte Giulia zusammen, erkannte dann aber die Mönche, die sie bisher nur in ihren grauen Kutten gesehen hatte. Palestrina stand etwas abseits und schien ganz in Gedanken versunken zu sein. Fra Mariano trat auf Giulia zu und wies auf die Tür zur Sakristei. »Geht hinein und zieht Euch um.«
»Umziehen?« Giulia war es gewohnt, in ihrer eigenen Kleidung aufzutreten, und hatte für diesen Tag ein neues, safrangelbes Wams und zartgrüne Hosen angezogen. Fra Mariano verschlang sie mit seinen Blicken und leckte sich die Lippen. »Heute kommt Seine Heiligkeit in unsere Kirche. Da ist es selbst-verständlich, dass wir unsere Chorröcke tragen. Soll ich Euch helfen? Ich tue es gerne, denn Ihr wisst ja nicht, wie Ihr das Hemd anziehen sollt.«
Er fasste Giulia am Arm und zog sie auf die Tür der Sakristei zu. Dabei brachte er seinen Mund so nah an ihr Ohr, dass sie seine feuchten Lippen auf der Haut spürte. »Ich bin doch Euer Freund, Casamonte.«
Giulia begriff, dass die gelegentlichen Anfeindungen des Mönchs dunklere Gelüste überspielt hatten, und überlegte verzweifelt, wie sie sich aus der Situation herauswinden konnte, ohne Verdacht zu erregen. Zu ihrem Glück schreckte Palestrina aus seiner Selbstversunkenheit auf und starrte sie an. »Du bist noch nicht umgezogen, Casamonte. Beeilt dich, und du, Fra Mariano, hältst ihn gefälligst nicht auf.«
Der Mönch ließ Giulia los. »Ich will ihm doch nur beim Umziehen helfen.«
Palestrina verzog angewidert das Gesicht. »Wohl genauso wie den Chorknaben von San Stefano, wo es dem Solosänger vor Schreck die Stimme verschlagen hat. Das will ich bei Casamonte nicht erleben. Also lass ihn in Ruhe.«
Die anderen Mönche grinsten hämisch. Die Neigungen ihres Mitbruders waren ihnen offensichtlich nicht verborgen geblieben. Fra Mariano kehrte mit missmutigem Gesicht auf seinen Platz zurück. Sein Blick zeigte Giulia jedoch deutlich, dass er sein Vorhaben nicht aufgegeben hatte. Das war ein Grund mehr, Rom zu verlassen, sagte sie sich. Sie musste wohl regungslos dagestanden haben, denn Palestrinas Stimme brach wie ein Unwetter über sie herein. »Zieh dich endlich um, du Missgeburt. Oder soll Seine Heiligkeit etwa warten, bis es dir beliebt, vor ihm zu erscheinen?«
Giulia sauste los und kehrte wenige Minuten später in einem etwas eng sitzenden Chorhemd zurück. Misstrauisch äugte sie an sich herab, um zu sehen, ob das Gewand ihre Brust auch gut genug verbarg, und zupfte es an einigen Stellen zurecht. Da schob sich Fra Mariano an ihre Seite. »Ich habe Euch doch nicht etwa erschreckt, Casamonte? Das wollte ich nicht.« Er versuchte, seine Stimme sanft und freundlich klingen zu lassen, doch es schwang eine fordernde Gier darin, die Giulia einen Schauer über den Rücken laufen ließ. »Ihr habt mich nicht erschreckt, Fra Mariano.« Sie versuchte, ihre Stimme gleichmütig klingen zu lassen, was ihr in ihren eigenen Ohren aber nicht gelang, und folgte erleichtert Meister Pierluigis Anweisungen, sich etwas außerhalb der Gruppe aufzustellen.
Inzwischen hatte Santa Maria Maggiore sich bis auf den letzten Platz gefüllt. Hier gab es keine mit Namen gekennzeichneten Sitze, denn Giulia beobachtete, wie junge Burschen mit fadenscheinigen Hosen und fleckigen Hemden Männern in prächtiger Kleidung ihre Plätze überließen und dafür Münzen entgegennahmen. Wohlhabenden Herrschaften für einen Denaro Plätze frei zu halten, schien auch eine Einkommensquelle der vielen Eckensteher zu sein, die überall in Rom zu finden waren. Die Damen der Gesellschaft nahmen dafür jedoch lieber die Dienste ihrer eigenen Mägde in Anspruch, die sich knicksend erhoben, um ihren Herrinnen Platz zu machen.
Die Unruhe im Kirchenschiff wuchs, denn alles wartete auf das Erscheinen Seiner Heiligkeit. Aus den Augenwinkeln nahm Giulia wahr, dass Fra Mariano immer noch ihre Aufmerksamkeit zu erregen
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