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Die Kastratin

Die Kastratin

Titel: Die Kastratin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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gewesen war. Aber diesmal hatte sich der frisch ernannte Kardinal so viel Zeit gelassen, dass della Rocca schon nervös geworden war. Aber auch er beehrte nun das Fest mit seinem neuen Glanz. »Es wird Zeit, dass ich mir eine zweite, ertragreiche Pfründe besorge«, dachte della Rocca, während er im vollen Ornat durch die Klosterkirche schritt, um sich draußen auf dem Vorplatz von dem staunenden Volk bewundern zu lassen. Einige Mönche drückten sich scheu an ihm vorüber. Der Abt grüßte sie freundlich und amüsierte sich insgeheim über ihre aufstrahlenden Mienen. Schon früh hatte er gelernt, dass ein angenehmes Wort oder eine Schmeichelei der schnellste Weg in die Herzen der Menschen ist.
    Während er durch das Kirchenschiff schritt, bewunderte er kurz den herrlich geschmückten Altaraufsatz, der die Madonna mit dem Jesuskind, San Ippolito und die heilige Clarissa darstellte. Der Altaraufsatz war ein Werk Masaccios und zusammen mit den beiden Gemälden, die die Apostel Petrus und Paulus darstellten und von Raffael und Botticelli stammten, der ganze Stolz der Abtei. Die beiden Apostel galten auch als Symbol für die Zugehörigkeit der Abtei und der Grafschaft Saletto zum Patrimonium Petri.
    Frühere Äbte hatten die Kunstwerke für die Kirche anfertigen lassen. Della Rocca wusste, dass von ihm erwartet wurde, die Klosterkirche weiter auszuschmücken. Deshalb würde er bei seinen Freunden in Rom nachfragen, von welchem der jungen Künstler zu erwarten war, dass er einmal zu den Großen seiner Zunft gehören würde. Von diesem würde er zu einem geringen Preis ein Bild oder eine Statue erwerben, für die man ihn in wenigen Jahren mit Lob überschütten würde.
    Della Rocca erwartete auch heute großen Beifall für die Messe. Schließlich hatte es ihn eine größere Summe gekostet, Giovanni da Palestrina zu diesem Werk zu bewegen. Wenn der einflussreiche Kardinal Ferreri in Gegenwart Seiner Heiligkeit Papst Julius  III . einige anerkennende Worte fallen ließ, hatte diese Ausgabe sich mehr als gelohnt. Mit diesem Gedanken trat er ins Freie und erschien damit just zur rechten Zeit auf dem festlich geschmückten Vorplatz, um seine erlesenen Gäste begrüßen zu können. Kardinal Ferreri und die übrigen Würdenträger kamen selbstverständlich nicht zu Fuß, sondern ließen sich in prunkvollen Sänften von der Burg herübertragen.
    Als Erster stieg Gisiberto Corrabialli aus einer Sänfte, die über und über mit Stierköpfen und Hellebarden, dem Wappenzeichen der Grafen von Saletto, bestickt war. Die Kleidung des Herrn entlockte della Rocca ein Schmunzeln. Der Graf trug nämlich hautenge gelbrot gestreifte Hosen mit einer lächerlich großen Schamkapsel aus durchbrochener goldgelber Seide. Sein Wams bestand aus hellblauem Samt und war an den Seiten mehrfach geschlitzt, so dass man das tiefrote Seidenfutter durchscheinen sah. Die Pluderärmel waren von giftgrüner Farbe, ebenfalls geschlitzt und hellrot unterfüttert und dabei so gestärkt, dass Corrabialli seine Arme seitwärts halten musste, um den Stoff nicht zu verknittern.
    Della Rocca deutete eine leichte Verbeugung vor dem Grafen an und wandte sich dann dem Kardinal zu. »Willkommen in meiner bescheidenen Pfründe, Euer Eminenz.«
    »Wirklich bescheiden, was den Wohnkomfort betrifft«, tadelte Ferreri ihn mit leicht gekräuselter Nase. Offensichtlich hatte auch das gräfliche Schloss nicht seinem Geschmack entsprochen. »Ich habe in meinen Diözesen Ivrea und Vercelli als Erstes die Wohngebäude abreißen und neu errichten lassen.«
    »Ihr könnt die kleine, armselige Abtei von Saletto doch nicht mit diesen mächtigen Bischofssitzen vergleichen.« Della Rocca warf in gespieltem Entsetzen die Arme hoch. Zufrieden bemerkte er, dass die Schmeichelei bei dem Kardinal verfing. Ferreri winkte ihm gönnerhaft zu, bevor er in die Kirche trat.
    Della Roccas Aufmerksamkeit galt unterdessen den anderen Gästen. Er begrüßte den Kardinal Ippolito Farnese vor seinem Namensvetter Ippolito della Rovere, dem diese Würde noch bevorstand, mit genau abgestufter, überschwänglicher Freude, und wandte sich dann Graf Gisiberto und den weniger wichtigen Besuchern zu. Erst, als er seine Begrüßungspflichten erfüllt hatte, erlaubte er sich, sein Augenmerk auf die Frauen zu richten, die der Graf mitgebracht hatte. Sein erfahrener Blick sagte ihm, dass Corrabialli Edelkurtisanen erster Güte zur Zerstreuung der Gäste hatte kommen lassen. Ihre Gewänder prangten vor Samt und

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