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Die Katastrophe

Die Katastrophe

Titel: Die Katastrophe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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der Drang und das Bedürfnis zu schreien, aber gleichzeitig erstarrt zu sein, unfähig, einen Laut hervorzubringen. Sie streckte die Arme aus und hoffte, irgendwo eine Wand zu finden, an die sie sich würde anlehnen können. Endlich ertastete ihre Hand den Felsen. Sie stolperte darauf zu und drückte sich zitternd dagegen.
    Später wurde ihr klar, dass sie nur wenige Minuten so verbracht haben konnte. Aber es kam ihr vor wie eine Ewigkeit. Und sie wurde wieder von diesem Gefühl der Einsamkeit heimgesucht, die ihr, bis sie Sebastien kennengelernt hatte, als normal erschienen war. Und nun wieder zurückgekehrt war. Denn Sebastien war tot! Tot!
    Nun, in dieser Dunkelheit, schlug sie so richtig zu. Der einsamste Mensch auf dieser gottverdammten Erde, den sie kannte, war sie selbst: Katie West.
    Katie hatte einmal gehört, dass sich Sebastiens Mutter mit einer Freundin darüber unterhielt, was es für sie bedeutete, Mutter zu sein. »Sobald man Kinder hat«, hatte sie gesagt, »wird die Welt plötzlich bedrohlich, findest du nicht auch? Mein Gott, jeder Ast, jeder Stein, jedes Auto, jedes Tier, ja jeder Mensch stellt plötzlich eine schreckliche Gefahr dar. Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber ich könnte alles für Sebastien tun: stehlen, lügen und – töten, ganz egal.«
    Katie hatte wie erstarrt zugehört. Sebastiens Mutter – die sie gleich zu Beginn ihrer Freundschaft mit Sebastien gebeten hatte: bitte nenne mich einfach Eve – also, Eve, hatte nicht bemerkt, dass sie den Raum betreten hatte. Und plötzlich hatte Katie ganz tief innen gespürt, dass ihre Mutter nie so über sie reden würde. Sie würde nie für sie töten, stehlen – ja nicht einmal lügen.
    Ein Geräusch ließ Katie erst zusammenfahren, dann erleichtert die Luft ausstoßen. Ihr Fuß stieß gegen einen Gegenstand am Boden, der ein Stück nach vorne rollte. Schon bückte sie sich und hob die Stirnlampe auf. Ihre kalten Finger umklammerten das Gummiband und sie schlang es um ihr Handgelenk, dann suchte ihr Zeigefinger nach der Taste.
    Lass sie funktionieren! Bitte, lass sie funktionieren!
    Licht!
    Ein Aufatmen ging durch ihren Körper. Langsam und vorsichtig sah sie sich um.
    Sie befand sich noch immer in dem langen Gang, aber direkt vor ihr befand sich eine Öffnung, die in eine Höhle führte.
    Sie hob die Lampe in die Höhe und leuchtete ihre Umgebung ab. Vorhin musste sie hier einfach vorbeigestürmt sein, ohne die Lücke im Felsen wahrzunehmen.
    Sie trat durch die Öffnung und sah sich um. Der Raum war in etwa doppelt so groß wie ihr Zimmer im College und soweit sie es sehen konnte, war dies der einzige Zugang.
    Über ihr breitete sich eine Holzkuppel wie die Kuppel einer Kirche aus, die offenbar durch Querverstrebungen vor dem Einsturz geschützt werden sollte. Wieder die Panik, wieder die Übelkeit.
    Schritt für Schritt wich sie zurück, die Hände ausgestreckt, bis sie wieder die Öffnung zum Tunnel erreichte. Bis sie den kalten Felsen mit ihren Fingern berührte. Erleichtert lehnte sie sich dagegen.
    Okay, sagte sie sich. Die anderen müssen schließlich auch hierherkommen. Sie hatte den Tunnel nicht verlassen. Sie musste nur hier auf sie warten.
    Minutenlang stand sie so, bis sie spürte, wie sich ihr Herzschlag langsam beruhigte und ihre Gedanken wieder klarer wurden. Dann erst wurde ihr bewusst, dass das Tosen des Flusses hier nicht mehr zu hören war. Als sei sie in einem schalldichten Raum.
    Ihre Hand hob sich und das Licht der Stirnlampe erforschte die Felsen rechts und links von ihr.
    Bilder.
    Überall Bilder.
    Irre.
    Einfach irre.
    Höhlenmalereien, die sie aus Geschichtsbüchern kannte.
    Nein – wie Graffiti in U-Bahn-Schächten. Oder beides?
    Tiere zeichneten sich auf den Wänden ab. Büffelherden. Klapperschlangen. Der weite Flügelschlag riesiger Vögel. Seltsame Menschengestalten. Und dann wieder ein Herz mit einem Pfeil, wie Verliebte sie in Bäume schnitzten.
    Initialen. Und in einer riesigen Sonne stand eingeritzt: Wir waren hier. Daneben ein Smiley, ein riesiges Grinsen im Gesicht. Don’t worry, die happy.
    Und ein Peace-Zeichen.
    Ein kalter Lufthauch streifte sie. Katie fröstelte. Es war, als zöge eine dunkle Wolke über sie hinweg.
    Das Licht der Lampe flackerte, wurde wieder heller und dann las sie einen Namen.
    Katie was here.
    Der Satz stand über der Silhouette einer lebensgroßen Figur gekritzelt. Als hätte sich jemand an die Wand gestellt und ein anderer hätte den Umriss nachgefahren.
    Die Lampe

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