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Die Kathedrale der Ketzerin

Die Kathedrale der Ketzerin

Titel: Die Kathedrale der Ketzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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bestreiten, dass es ihrer Eitelkeit schmeichelte,
von Theobald besungen zu werden. Sie schämte sich.
    »Mauclercs nächster
Streich«, bemerkte Theobald eines Abends, nachdem sie wieder in Paris
eingetroffen waren. Er legte Blanka ein an den Seiten eingerissenes Pergament
vor. »Von diesem sogenannten Gedicht kursieren Hunderte von Abschriften. Das
Original hat man deinem Sohn in Orléans zukommen lassen. Er ist sofort
aufgebrochen.«
    Blanka schob die Öllampe näher und hielt das Pergament ein Stück von
sich ab. Sie hatte sich immer so viel auf ihre scharfen Augen zugutegehalten,
doch seit Kurzem verschwammen ihr manche Buchstaben vor den Augen. Diese aber
konnte sie mühelos entziffern:
    »König, verwehre dem weiblichen Geschlecht die Macht, die es seit
Eva missbraucht. Ergreife sie selbst, verbanne die Frau und höre auf jene, die
Waffen tragen.«
    Sie warf das Schriftstück zu Boden.
    »Wo ist Ludwig jetzt?«, fragte sie.
    »Er hat sich auf der Burg Montlhéry verschanzt«, erwiderte
Theobald, »nachdem er den Baronen beschieden hat, ihre Belehrung sei nicht
erwünscht, da er allen Rat habe, den er benötige.«
    Blanka nickte grimmig. »Es wird ihnen nicht gelingen, einen Keil
zwischen meinen Sohn und mich zu treiben. Das haben sie sich fein ausgedacht,
die edlen Herren, die Mutter einzukerkern und den Kindkönig nach ihrer Musik
tanzen zu lassen.« Mit gerunzelter Stirn blickte sie den Grafen der Champagne
an. »Du siehst höchst besorgt aus, Theobald, da ist doch noch mehr?«
    »Leider ja«, erwiderte er. »Deine Gegner, Herrin, ziehen eine
riesige Streitmacht in Corbeil zusammen. Es sieht finster für uns aus; wir
können nicht in so kurzer Zeit die Vasallen einberufen und selbst ein Heer
aufstellen.«
    Clara, die das Schriftstück vom Boden gehoben und gelesen hatte,
zerknüllte es in der Faust und hob den Arm.
    »Das Volk besteht nicht nur aus Waffenträgern, sondern aus sehr,
sehr vielen Menschen!«, rief sie. »Und deine Pariser lieben dich, Blanka!«
    Am Nachmittag war sie, der Erinnerungen voll, zum Kathedralenbau auf
der Île gegangen. Sie hatte die Galerie mit den zierlichen Säulen über dem
Rosenfenster an der westlichen Fassade bewundert und staunend festgestellt,
dass in schwindelerregender Höhe mit dem Bau von zwei Türmen begonnen worden
war, die offensichtlich bis in die Wolken hineinragen sollten.
    Neben ihr drängten sich andere Menschen mit himmelwärts gewandten
Gesichtern, die voller Begeisterung von ihrer schönen Königin sprachen, die bei
keinem ihrer vielen Besuche auf der Baustelle versäumte, Arbeiter und Passanten
reich zu beschenken. Sie hörte sich die Sorgen der Einzelnen an, erteilte Rat
und schickte zu manchem armen Kranken ihre eigenen Ärzte. Mehr als einmal
vernahm Clara den Satz, für diese edle und fromme Königin lohne es sich zu
sterben.
    »Ja«, erwiderte Blanka auf Claras Bemerkung. »Ich liebe mein Volk
und habe das Glück, von ihm geliebt zu werden. Was aber soll mir das zu dieser
Stunde nutzen? Die wenigsten Bürger verstehen es, eine Waffe zu führen.«
    Clara kniete vor Blanka nieder und ergriff beide Hände der Königin.
    »Das Volk ist deine Waffe! Siehst du das denn nicht? Was sollen
die Barone ausrichten, wenn sich alle Pariser auf den Weg nach Montlhéry
machen, meinetwegen bewaffnet mit Tischbeinen, Hämmern, Sensen oder einfach nur
dem Willen, dir beizustehen? Die Grafen können doch nicht das ganze Volk
abschlachten!«
    Die letzten Worte waren ihr wie von selbst über die Lippen gekommen
und ließen sie erschaudern. Andere oder auch die selben Barone hatten beim
Kreuzzug gegen die Katharer Jahre zuvor die katholische Kirche befragt, woran
sie die Ketzer erkennen könnten, und den Auftrag erhalten, alle Menschen im
Katharerland abzuschlachten, und an die Antwort konnte sie sich nur zu gut noch
erinnern: Gott
werde die Seinen schon erkennen.
    Sanft berührte Theobald Clara an der Schulter. Er schien ihre
Gedanken erraten zu haben.
    »Dieser Streit währt nur zwischen der Königin und den Baronen«,
sagte er leise. »Die edlen Herren werden Angst vor des Volkes Menge haben. Das
Volk liebt seine Königin. Eine großartige Idee, Clara!«
    Er richtete sich wieder auf.
    »Ich werde sofort ausrufen lassen, dass die edle Frau Königin morgen
nach der Messe zu ihrem Volk sprechen möchte. Jeder soll die Arbeit ruhen
lassen und zum Cité-Palast kommen.«
    Blanka nickte. »Wir machen die Tore weit auf.«
    Zehntausende drängelten sich auf und vor dem Hof

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