Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kathedrale der Ketzerin

Die Kathedrale der Ketzerin

Titel: Die Kathedrale der Ketzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
Vom Netzwerk:
beiden
Männer, die sich am Vorabend von ihr verabschiedet hatten, so schnell
wiederzusehen. Sie schloss Clara in die Arme.
    »Gut gemacht«, raunte sie ihr zu.
    Ihre Rechnung war aufgegangen; sie hatte ohne Blutvergießen den
ersten Sieg errungen und Theobald wieder als treuen Vasallen auf ihre Seite
gezogen.
    Doch noch war die Verschwörung nicht zerschlagen. Die Barone lehnten
Blankas Einladung zu Verhandlungen in Loudun ab und schlugen Chinon vor. Dort
ließen sie die Königin vergeblich warten. Sie blieben auch dem nächsten
vereinbarten Termin in Tours fern. Wütend ließ Blanka Mauclerc wissen, dass er
mit den anderen Baronen Mitte März in Vendôme zu erscheinen habe, andernfalls
werde die königliche Streitmacht gnadenlos zuschlagen.
    »Was wollt Ihr den Baronen denn anbieten?«, fragte Theobald
besorgt, als der Heranmarsch der Rebellen verkündet wurde.
    »Meine Kinder«, sagte Blanka kurz. »Ich werde drei meiner Kinder mit
Kindern der Barone verloben; sind sie erst einmal mit dem Königshaus verwandt,
werden sie hoffentlich Ruhe geben. Zumal ich mit Geld und Ländereien auch nicht
geizen werde. Diese Herren treibt kein Ideal an, sie sind allesamt käuflich.«
    Zähneknirschend fügten sich die Aufständischen und unterzeichneten
    am 16. März ein Friedensabkommen, das durch drei Verlobungen besiegelt wurde.
Am wichtigsten war Blanka die Verbindung ihres Sohnes Johann mit Mauclercs Tochter
Yolanthe, die eigentlich schon dem englischen König versprochen worden war,
eine Heirat, die England großen Einfluss auf Frankreich gesichert und eine
Bedrohung für die Krone dargestellt hätte. Damit kannte sich Blanka aus;
schließlich hatte sie vor gar nicht allzu langer Zeit ihrerseits Ansprüche auf
England geltend gemacht.
    Mit sichtbarem Widerwillen unterzeichnete auch Richard von Cornwall
das Waffenstillstandsabkommen und reiste bereits am nächsten Tag angeekelt nach
England ab. Er hatte es immer gewusst: Auf die Franzosen war kein Verlass;
jeder zimmerte an seiner eigenen Burg, schacherte um eigenen Gewinn und war zum
eigenen Vorteil bereit, den Freund auszubooten oder gar ans Messer zu liefern.
Nie wieder, schwor er sich, würde er sich mit einem so uneinigen Haufen
verbünden. Engländer waren da zivilisierter; sie traten zumindest geschlossen
gegen den erklärten Feind auf!
    Mauclerc hielt mit seinem Grimm nicht hinter dem Berg. Während der
Verhandlungen würdigte er Theobald keines Blickes und nahm die vorgeschriebenen
Huldigungen der Königin und des Königs mit so gehässigem Blick vor, dass sogar
Blanka ein Schauer über den Rücken lief.
    »Es ist noch nicht vorbei«, sagte sie am Abend zu Theobald und
Clara. »Der Herzog der Bretagne wird sich etwas Neues ausdenken, und ich ahne
bereits, in welche Richtung sein nächster Angriff gehen wird.« Sie nahm
Theobalds Hand. »Sehr gut, mein lieber, treuer Freund, dass du dich besonnen
hast. Und wieder für uns singst.«
    Theobald griff zur Drehleier, lächelte Clara verschmitzt an und
begann: »Von Rettung kündet blauschwarzes Haar, darunter das Ohr, das viel
Böses vernahm, ein Mägdelein findet das reitende Paar, kommt Meuchlern zuvor,
Herrin, seid mir nicht gram!«
    Er verneigte sich vor Blanka, die fröhlich applaudierte und
bemerkte: »Weshalb sollte ich dir gram sein, wenn du Clara mal ein Gedicht
widmest? Sie hat es verdient, und ich bin entzückt.«
    Durch Clara wogten unterschiedliche Gefühle. Einerseits war ihr, als
sei sie heimgekommen, andererseits verspürte sie eine große Sehnsucht nach dem
Zuhause ihres katharischen Glaubens, nach Menschen, die wie Felizian
rechtschaffen handelten und ohne Umschweife oder Spitzfindigkeiten sprachen.
Sie wünschte sich eine übersichtliche Welt, in der das Überleben nicht davon
abhing, die bessere Intrige eingefädelt oder auf Kosten anderer Lebewesen ein
Auskommen zu haben.
    Sie dachte an die vielen emsigen Menschen, deren ganzer Sinn des
Lebens darin bestand, vom Aufwachen bis zum Schlafengehen zu arbeiten, um nicht
zu verhungern und zu erfrieren. Keiner der Barone, mit denen sie in den
vergangenen Tagen umgegangen war, hatte auch nur ein Wort über das Los der
Menschen in den eigenen Ländern verloren. Für die Herren bestand das Volk aus
Soldaten, Bauern und Handwerkern, die ihnen Macht, Einfluss und Geld zu sichern
hatten. Nicht sie waren für das Volk da, sondern das Volk war ihretwegen
erschaffen worden. Und sie, Clara, saß auch wieder wie die Made im Speck am
Königshof und konnte nicht

Weitere Kostenlose Bücher